Montag, 1. Dezember 2008

Intermezzo: Unterschichten-Gespräch am Plattenbau




Tobi und Jonas, Kumpel seit der Sandkasten-Ära, stehen an der Hauswand. Sie sind schlecht erzogene Teenies und halten ein Bierchen in der Hand – gemeinsam halten sie diese eine Flasche fest umgriffen und trinken abwechselnd aus ihr. Sie sind bereits hackedicht. Tobi beginnt ein Gespräch.

„Hab gestern zum ersten Mal inne Badewanne gewichst.“ Jonas schaut überrascht und schmiert sich mit bierfeuchter Hand durchs Haar. Tobi fährt fort: „Weißte, das ist ja widerlich. Da kommt’s so raus und schwimmt in Fäden drin rum. Und wenn man aussteigt ausse Wanne, klebt der Scheiß am Arm, oder so. Saugt sich richtig fest am Körper.“ Jonas öffnet langsam den Mund. „So wie'n Blutegel?“

„Fast - wie halbtrockener Kleber.“, korrigiert ihn Tobi. „Das Problem ist, man merkt's ja nicht, wenn's am Körper klebt. Da sitzte dann so am Abendbrot-Tisch und anner linken Hand hängt so'n Teil.“ Nun muss Jonas schmunzeln: „Und Mama sieht die Wichse am Arm?“ Tobi schüttelt es innerlich. „Haste das mal gemacht? Inne Wanne gewichst?“ Jonas schüttelt den Kopf und nippt vom Bier. „Ich hab' nur einmal den Schwanz innen Duschstrahl gehalten, glaub' ich.“ Tobi erklärt: „Inner Dusche isses kacke. Badewanne rockt! Ruhendes Wasser und alles. Da kommt das in 'nem Strang raus und wird nicht von 'nem Strahl zerteilt." Tobi grinst über beide Backen. "Wie das da inner Badewanne rausgeschossen kommt. Voll geil! So in Fäden, dickliche Fäden, weißgrau. Ich glaub', ich mach das jetzt öfter. Ich sammel das und knet' mir einen Riesenball draus – immer so dazu.“ Doch Jonas hat einen Einwand: „Naja, im Wasser, da kriegste nicht so 'nen Speed drauf. Also auffe Pumpe.“

Tobi will es nicht einsehen: „Wenn man das unter Wasser macht, quitscht es auch nicht so. Und das Geile bei uns ist.. da ist so'n Aluminiumknopf am Fußende unserer Badewanne. Da kann man so dran drehen.. für'n Stöpsel. In diesem Knopf kann man sich selbst dabei beobachten, weil er natürlich spiegelt. Total cool!“

Tobi kippt einen weiteren Schluck Bier in sich hinein. Diese Zeit der Ruhe nutzt Jonas, um seiner Skepsis Nachdruck zu verleihen: „Aber im Wasser wird doch die Reibung nicht so wahrgenommen. Das hab' ich im Physik-Buch gelesen. Ich könnte im stillen Wasser nicht wichsen! Außer ich wichs' 'ne Woche lang nicht und es ist'n Riesendruck im Rohr.“

Doch auch auf diese Theorie weiß Tobi eine Antwort: „Klaro, Jonas. Das geht, wenne den Prengel ganz stramm umgreifst, so dass kein Wasser dazwischen kommen kann. Außerdem ist das Wasser nicht mehr so still, wenn man so rumrubbelt. Das schlägt ja alles Wellen.“ Jonas weiß nun nichts mehr zu sagen. Tobi hat diese Diskussionsrunde auf grandiose Weise gewonnen und schluckt siegreich die letzten Tropfen Bier aus der Flasche.

„So, du, ich muss nun mal wieder. Ist spät und ich bin auch müde! Morgen schreiben wir 'ne Klassenarbeit. Das haut doch sowieso wieder nicht hin. Wir sind einfach total schlechte Schüler!“ Jonas nickt ihm zu, starrt nachdenklich in den Mond und flüstert: „Ja, das stimmt. Es ist die Gegend hier. Es ist die verdammte Gegend. Sie hat uns zur Unterschicht gemacht.“ Dann schlagen sie High Five und gehen ihrer Wege. Sie gehen nicht nur ihrer Wege sondern verschwinden auch aus diesem Buch. Sie haben mit dem Verlauf dieser Story nämlich nichts zu tun.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

genial geistreich!

huntress hat gesagt…

Also von dir könnte ich den ganzen Tag Sandro-Kapital lesen. *schwärm*