Dienstag, 2. Dezember 2008

Intermezzo #2 - Rohdiamant und Producer




Im Hinterhof sitzt Kurt auf seinen Hinterbeinen mit der Gitarre auf dem Schoß. Er spielt sie leidenschaftlich. Er kann alle Songs von Caroline Reiber auswendig! Und wenn er mal gut drauf ist – was eher selten vorkommt – schiebt er einen lustigen Party-Knaller von Roberto Blanco oder Tony Marshall dazwischen. Da tanzt die ganze Nachbarschaft! Es ist nun tief in der Nacht, als Kurt ein Kracksen vernimmt. Es könnte auch ein Klacksen oder Knacksen sein. Schade, er hatte soeben den Song "This land is your land" begonnen. Er hebt die Finger von den Saiten und spitzt seine Ohren. Da ist doch was, denkt er. Lauschen.

Plötzlich tritt aus dem Schatten eine große, dunkle Gestalt. Sie trägt einen schwarzen Schlapphut, der tief ins Gesicht gezogen ist, dazu ein langer Mantel und äußerst solides Stiefelwerk. Die mysteriöse Gestalt stapft mit düsterer Miene auf Kurt zu und wirft ihm 5 Cents in die verdreckte Tupperdose. Kurt schaut skeptisch – so langsam bekommt er Angst.


Der große, dunkle Mann beugt sich hinab und nimmt dann eine elegante Hockstellung ein. „Hallo, wo bin ich denn hier? Ich suche den Kurt, oder so.“

Kurt zittert am ganzen Leibe und presst seine Wirbelsäule gegen die Kalkwand. "W-w-wer bist du?“

Der große Mann schmunzelt und schiebt seinen Hut etwas nach oben. „Huhu, ich bin Peter. Aber nenn’ mich ruhig King Of Dark Gothic. Ich wohne hier im 3. Stock und habe schon so einiges von dir gehört… und das war ja sehr stark. Ich habe da Erfahrung. Du bist etwas ganz Besonderes. Du bist ein Rohdiamant!“

„Bist du nicht der, der meine Mutter im Treppenhaus mehrmals belästigt hat?“ Kurt hat den Mann nun erkannt. Er hat es einmal live miterlebt, wie der Mann seiner Mutter in den Po gekniffen und sich damit eine Ohrfeige eingefangen hat. Daraufhin erteilte er seiner Mutter eine Kopfnuss. Die rief die Polizei. Er kam ins Gefängnis, kaufte sich jedoch sofort wieder frei.

„Was soll ich sagen…“, antwortet der Mann. „Sie ist HOT. Ich steh auf sie. Ich möchte sie gerne kennenlernen – in meinem Studio.“

„In deinem Studio?“ Kurt legt sein Instrument beiseite.

„Ja, ich habe in meiner Wohnung ein Music Studio. Ich produce Musik. Und du hockst hier heruntergekommen im Hinterhof mit deiner Gitarre. Ich habe da ganz andere Möglichkeiten. Du bist herzlich eingeladen. Und bring deine Mutter mit. Hier ist meine Visitenkarte.“

Kurt nimmt die Karte entgegen und steckt sie sich in die linke Socke. Es ist eine Masche von ihm. Dutzende von Therapeuten wollten ihm das schon abgewöhnen – aber es klappt einfach nicht. Der Kurt ist ein ganz eigenartiger Vogel!

Der große Mann, genannt King Of Dark Gothic, fährt fort: „Deine Stimme, Kurt, ist ja wohl obercool! Hmmn, gute Gene wohl. Ich kann da viel draus machen – mit meinem Harmonizer.“

Doch Kurt ist skeptisch. „Ja, voll, ich glaube dir total!“

Der große Mann lässt sich nicht beirren: „Ich werde einen rassigen Dancefloor-Mix aus deinen Songs schneiden.“

„Du als Profi kannst das ja gut. Wie lange machst du das schon? Dir wurde bestimmt ein Synthesizer in die Wiege gelegt.“ Ironie in Kurts Stimme!

„Tja, ich mache das schon seit 5 Jahren. Man muss es langsam aufbauen, weißt du? Ich habe bereits so einige Hits produziert.“

„Hits? Kenne ich da welche?“

„Bestimmt. Peter Maffay. Tabaluga. Nur so als beeindruckende Referenz jetzt. Schon mal gehört?“

Kurt rümpft die Nase. „Hmmn… der Maffay, der ist gut. Taberluger, das Kindermusical. Das habe ich schon mal gehört, ja. Es hat hier und dort wirklich tolle Stellen.“

„Stimmt, das habe ich alles zusammengeschnitten.“ Der große Mann wirkt sichtlich stolz.

Doch Kurt badet weiterhin in Ironie: „Krass! Da musst du was draufhaben.“

„Das sagen die Frauen auch immer.“ Schallendes Gelächter und beidhändiges Sackkratzen.

„Was blitzt durch deinen dunklen Mantel da? Ich sehe eine helle Stelle. Ist es ein T-Shirt?“

Der schwarze Mann öffnet seinen Mantel und streckt seine Brust imposant hervor. „Ja, es ist ein T-Shirt. Es ist mit einem Motiv bedruckt, welches ich selbst am Computer gemalt habe. Es ist ein Drachen. Er soll meine Kraft, meine Energie repräsentieren. Weißt du, ich bin nämlich auch Grafiker.“

„Ja, toll. Und ich habe dich neulich im Treppenhaus mit einem kleinen Jungen gesehen. War das dein Sohn?“

Nun fühlt sich der große Mann ertappt. „Ja, er ist mein Sohn. Ich habe noch fünf andere Kinder. Aber erzähle das bloß nicht deiner Mutter. Sonst will sie mich nicht. Ich zahle monatlich 2.000 EUR an Unterhalt. Das ist nicht leicht für mich. Aber dank meiner Musikproduktionen kann ich es halbwegs verkraften.“ Dann schaut er plötzlich sehr traurig und geschlagen. Man könnte fast meinen, seine Augen würden wässrig.

„Du, Kurt. Ich habe gehört, du lebst sehr zurückgezogen. Keine Freundin, und so. Wo du doch so toll singst. Und hübsch bist du auch. So gut wie du aussiehst, sah ich auch mal aus… früher.“

„Ach, King Of Dark Gothic, ja… so ist das Leben. Heutzutage kann man Frauen nicht mehr mit Kreativität und Engelsstimme beeindrucken. Sie wollen alle nur Geld. Schau nur in meine Tupperdose. Die paar Cents." Kurt leckt sich mit der Zunge eine spontan auftretende Träne vom linken Nasenflügel. "Aber sage doch mal: Wer war denn die Dame neben deinem Sohn im Treppenhaus?“

Der große Mann fühlt sich ein zweites Mal ertappt. „Ich hatte gehofft, dass du nicht fragst. Ja, ich gestehe es ein. Sie ist meine derzeitige Ehefrau. Aber ich muss es betonen: Deine Mutter ist etwas ganz Besonderes. Wer so tolle Kinder hat, wie du eines bist, der muss selbst auch etwas drauf haben. Ich bin beeindruckt und möchte etwas mit deiner Mutter anfangen. Sage ihr aber nicht, dass ich verheiratet bin.“

„Ich schweige wie ein Grab, dunkler Mann."

„Naja, jedenfalls, es würde mich freuen, ihr besucht mich mal. Dann machen wir uns das schön.“

„Wann hast du denn Zeit? Du musst doch viel beschäftigt sein, wo du doch so ein Profi mit deinem Profi-Musikstudio bist.“

„Ich muss mal schauen, wo ich euch dazwischen schieben kann. In der Tat bin ich sehr viel unterwegs. Da bleiben entspannende Freizeitspaziergänge nur nachts. Wie jetzt. Manchmal gehe ich auch auf den Kinderspielplatz und nage an den toten Tauben. Fürs Kochen habe ich leider auch kaum Zeit. Deshalb wäre es nett, wenn es mit deiner Mutter klappt. Aber vordergründig geht es mir natürlich um DICH, Kurt. Ich werde dich groß rausbringen. Du wirst reich, versprochen.“

Kurt grinst. „Ich denke eher, es geht dir darum, DEINEN groß rauszubringen.“

„Ein Super-Witz!“, lacht der große Mann und klopft Kurt auf die Schulter.

„Kleiner Spaß. Nicht übel nehmen.“, grient Kurt.

„Du bist ja ein Lustiger.“, kommt es aus dem großen Mann und erneut lachen beide laut tönend durch den Hinterhof. Das Echo hüpft wie ein wilder Dschungel-Affe von Hauswand zu Hauswand und bahnt sich so seinen Weg nach oben, ehe es in Richtung Weltraum schießt und dort vielleicht einen entfernten Planeten zur Explosion bringt.

„Es ist jedenfalls schön, dich mal so kennenzulernen und sich mit dir zu unterhalten, lieber Kurt. Hast du vielleicht ein Foto von deiner Mutter bei dir? Würdest du es mir schenken? Wie alt.. pardon.. jung ist sie eigentlich?“

Kurt kramt in seiner rechten Socke und wird fündig. „Sie ist 45. Hier ist das Foto. Nimm es und häng es dir in dein Musikstudio.“

Der große Mann begutachtet das Foto. „Heiß. Wirklich. Sie sieht gar nicht aus wie 45. Jünger!“

„Als das Foto gemacht wurde, war sie 44.“, erwähnt Kurt.

Der große Mann macht große Augen. „Oh. Ich würde sie auf 29 schätzen. Wahnsinn. Das ist alles sehr aufregend. Ihr müsst unbedingt kommen.“

„Ja, stimmt. Du willst mich ja produzieren, gelle? Und einen neuen Bruder für mich noch dazu, was? Das ist dein Plan. Ich glaube, ich habe dich durchschaut, King Of Dark Gothic. Ich bin nicht an einer Zusammenarbeit interessiert, du Spack. Du machst mir nur Komplimente, um an meine Mutter ranzukommen.“

„Aber Kurt. Wir werden reich. Du kriegst alles, was du willst. Auch Frauen. Jeden Abend eine andere. Ich misch das alles zusammen.“

Kurt bekommt Schaum vorm Mund. „Du Gothic. Brauch ich nicht, will ich nicht. Du hast nix. Du kannst nix. Du sülzt nur. Komm mir nicht so.“

„Du bist ganz schön frech, Kurt. Mein Sohn du könntest sein. Ich habe dich etwas anders eingeschätzt. Du nutzt deine Chancen nicht. Mit mir stünde dir alles offen, Kurt. Du musst mich erst mal in Ruhe kennenlernen. Dann wirst du mich mögen. Wie einen Stiefvater.“

„Nö, keinen Bock. Wie kann man sich nur so nennen. King Of Dark Gothic. Dass ich nicht lache. Scher dich zum Teufel, du miese Figur. Du bist mir nicht kompetent genug. Du bist ein undefinierbares Stück Restmüll.“

Der große, dunkle Mann weint nun. „Du brichst mein großes Herz. Kurt, Kurti, Kurtchen. Es hätte so schön werden können. Buhuhuhuhuhuhuhu!“

Kurt setzt nach, er gibt nicht auf. Der Schaum spritzt nur so durch die Gegend. Er sieht aus wie ein lüsternes Kamel. „Mit dir will ich nicht zusammenarbeiten. Du hast leider keinerlei Talent. Jetzt hast du jede Glaubwürdigkeit verloren! Hau ab!“

Peter, der King Of Dark Gothic, erhebt sich. „Naja, ich verschwende besser keine Zeit mehr mit dir. Und mit deiner Mutter will ich auch nichts mehr zu tun haben. Ich habe euren Hund im Treppenhaus gesehen. Ihr habt einen hässlichen Hund! Ich gehe jetzt!“ Dann nimmt er die 5 Cents wieder aus der Tupperdose und geht fünf Schritte vorwärts.

„Sie ist zu gut für dich! Das sage ich dir als Profi. Bye, hau ab!“, ruft Kurt ihm hinterher.

Der große, dunkle Mann dreht sich noch einmal um und winkt mit einem Taschentuch. „Tschüß!“

„Schnauze!“, sabbert Kurt voller Hass und greift wieder zur Gitarre. Und während der King Of Dark Gothic wieder im dunklen Schatten der Nacht verschwindet, schlägt Kurt die 32. Seite im Peter-Bursch-Gitarrenbuch auf und spielt voller Hingabe „This land is your land“ weiter.

Aus dem Schatten raunt es. "Schade, er singt so verdammt gut..."

Montag, 1. Dezember 2008

Intermezzo: Unterschichten-Gespräch am Plattenbau




Tobi und Jonas, Kumpel seit der Sandkasten-Ära, stehen an der Hauswand. Sie sind schlecht erzogene Teenies und halten ein Bierchen in der Hand – gemeinsam halten sie diese eine Flasche fest umgriffen und trinken abwechselnd aus ihr. Sie sind bereits hackedicht. Tobi beginnt ein Gespräch.

„Hab gestern zum ersten Mal inne Badewanne gewichst.“ Jonas schaut überrascht und schmiert sich mit bierfeuchter Hand durchs Haar. Tobi fährt fort: „Weißte, das ist ja widerlich. Da kommt’s so raus und schwimmt in Fäden drin rum. Und wenn man aussteigt ausse Wanne, klebt der Scheiß am Arm, oder so. Saugt sich richtig fest am Körper.“ Jonas öffnet langsam den Mund. „So wie'n Blutegel?“

„Fast - wie halbtrockener Kleber.“, korrigiert ihn Tobi. „Das Problem ist, man merkt's ja nicht, wenn's am Körper klebt. Da sitzte dann so am Abendbrot-Tisch und anner linken Hand hängt so'n Teil.“ Nun muss Jonas schmunzeln: „Und Mama sieht die Wichse am Arm?“ Tobi schüttelt es innerlich. „Haste das mal gemacht? Inne Wanne gewichst?“ Jonas schüttelt den Kopf und nippt vom Bier. „Ich hab' nur einmal den Schwanz innen Duschstrahl gehalten, glaub' ich.“ Tobi erklärt: „Inner Dusche isses kacke. Badewanne rockt! Ruhendes Wasser und alles. Da kommt das in 'nem Strang raus und wird nicht von 'nem Strahl zerteilt." Tobi grinst über beide Backen. "Wie das da inner Badewanne rausgeschossen kommt. Voll geil! So in Fäden, dickliche Fäden, weißgrau. Ich glaub', ich mach das jetzt öfter. Ich sammel das und knet' mir einen Riesenball draus – immer so dazu.“ Doch Jonas hat einen Einwand: „Naja, im Wasser, da kriegste nicht so 'nen Speed drauf. Also auffe Pumpe.“

Tobi will es nicht einsehen: „Wenn man das unter Wasser macht, quitscht es auch nicht so. Und das Geile bei uns ist.. da ist so'n Aluminiumknopf am Fußende unserer Badewanne. Da kann man so dran drehen.. für'n Stöpsel. In diesem Knopf kann man sich selbst dabei beobachten, weil er natürlich spiegelt. Total cool!“

Tobi kippt einen weiteren Schluck Bier in sich hinein. Diese Zeit der Ruhe nutzt Jonas, um seiner Skepsis Nachdruck zu verleihen: „Aber im Wasser wird doch die Reibung nicht so wahrgenommen. Das hab' ich im Physik-Buch gelesen. Ich könnte im stillen Wasser nicht wichsen! Außer ich wichs' 'ne Woche lang nicht und es ist'n Riesendruck im Rohr.“

Doch auch auf diese Theorie weiß Tobi eine Antwort: „Klaro, Jonas. Das geht, wenne den Prengel ganz stramm umgreifst, so dass kein Wasser dazwischen kommen kann. Außerdem ist das Wasser nicht mehr so still, wenn man so rumrubbelt. Das schlägt ja alles Wellen.“ Jonas weiß nun nichts mehr zu sagen. Tobi hat diese Diskussionsrunde auf grandiose Weise gewonnen und schluckt siegreich die letzten Tropfen Bier aus der Flasche.

„So, du, ich muss nun mal wieder. Ist spät und ich bin auch müde! Morgen schreiben wir 'ne Klassenarbeit. Das haut doch sowieso wieder nicht hin. Wir sind einfach total schlechte Schüler!“ Jonas nickt ihm zu, starrt nachdenklich in den Mond und flüstert: „Ja, das stimmt. Es ist die Gegend hier. Es ist die verdammte Gegend. Sie hat uns zur Unterschicht gemacht.“ Dann schlagen sie High Five und gehen ihrer Wege. Sie gehen nicht nur ihrer Wege sondern verschwinden auch aus diesem Buch. Sie haben mit dem Verlauf dieser Story nämlich nichts zu tun.

Samstag, 29. November 2008

Gloria Estefan und der Kaffee-Experte




Die Stimme des Fisherman Franka lässt den Raum erbeben! Die Enden des modisch gemusterten Teppichs kringeln sich diabolisch in alle Richtungen und die Wohnzimmerlampe ragt gefährlich aus der Decke – bedrohlich wie ein Knabberstab in einem Wellensittich-Käfig.

„Dieses Amulett, Sandro!“, er zeigt mit dem knöchrigen Zeigefinger auf Sandros Brust. „Dieses Amulett besitzt folgende magische Kraft!“ Sandro macht große Augen und kann es kaum erwarten. Er möchte endlich wissen, was das Ding macht. „Dieses Amulett, Sandro, verleiht dir die Kraft, Tote zu sehen und mit ihnen zu kommunizieren! Sie sind überall! Sie umgeben uns und leben parallel zu unserer Welt, sozusagen mitten unter uns. Diese beiden Welten sind ineinander verhakt, greifen ineinander, ja, sie überlappen sich quasi. Aber nur die Toten besitzen die Fähigkeit und die Technologie, uns niedere Menschen regelmäßig zu beobachten. Sie hängen noch an dieser Welt - und ich möchte, dass du auf eine Reise gehst. Du sollst etwas für mich erledigen. Ich bin zu alt und gebrechlich! Ich würde es nicht mehr überstehen – aber du bist noch jung und fit mit deinen 64 Jahren. Willst du einen Lutscher?“

Sandro glotzt doof. „Was erzählst du da für eine Scheiße? Willst du mich verarschen? Ist das hier die Comedy-Falle? Wo ist Kai Pflaume jetzt?“ Er glaubt es einfach nicht. So ein ungezogener Junge. Sandro glaubt ja sonst jeden Scheiß – sogar, dass Frauentausch ungeskriptet ist – aber das hier jetzt, das ist der absolute Knaller, meine verdammte Güte!

„Du Narr!“, Fisherman Franka haut jetzt auf den Tisch. Knochen knacken unter Fleisch. Das Licht flackert gespenstig. Wände schlagen Wellen. Hinter der Wohnzimmerwand laicht ein Aal. Gloria Estefan ertönt aus dem Radio. „Ist es zu fassen? IST ES ZU FASSEN?! Du wirst es selbst sehen! Komm mit mir auf den Balkon, Bürschchen!“ Sandro folgt seinem Vater, dieser reicht ihm das Fernglas. „Schau hindurch und blicke auf die Rutsche dort unten auf dem Kinderspielplatz.“ Sandro tut augenblicklich wie ihm befohlen.

„Boaaaaaaah, eh!“ Seine Augen schießen ca. 37 cm aus den Augenhöhlen heraus. Er muss deshalb das Fernglas weiter weg halten. „Was zur Hölle?!“. Sandro setzt das Glas ab und fällt auf die Knie! „Na, was hast du gesehen?“, fragt sein Vater ihn leicht amüsiert. „Ich habe Tauben gesehen… aber sie leben. Ich habe sie doch ermordet! Sie kleben auf der Rutsche. Aber sie stehen dort halbtransparent rum und halten eine Art Konferenz. Ich habe es an ihren Schnäbeln gesehen. Sie diskutieren angeregt.“

Fisherman Franka tätschelt Sandro auf den Kopf. „Ja, Sandro. Dies ist die Konferenz der toten Tauben. Sie verharren dort des Nachts, wo du sie einst erschossen hast. Sie beraten sich und planen eine Racheaktion. Sie wollen Vergeltung, dir weh tun, dich kaputt machen – vor allem psychisch. Sie haben sogar schon deinen Balkon zugeschissen. Aber der Kot von Geistertauben ist Geisterkot. Du siehst ihn nur mit dem Amulett. Wenn du morgen auf deinen Balkon gehst, wirst du ihn erblicken. Aber sie planen etwas Größeres. Sie wollen dir das Leben schwer machen – jedoch keine Angst. Sie können dir nichts. Alles in allem sind sie nur kleine Vögelchen!“

„Da bin ich beruhigt, Daddy! Aber nun glaube ich dir! Mein Gott, es ist so mächtig, Daddy! Was soll ich tun? Welche Aufgabe soll ich für dich erledigen? So sprich zu mir, Daddy. Sage mir.“ Sandro ist total außer sich. Der Schweiß sprießt aus seinen Poren – so als wären unter seiner Haut lauter Mini-Wasserpistolen. Es sieht ziemlich bekloppt aus - man muss sich das mal vorstellen! Er wirkt in diesem Moment hilflos, klein und unwichtig. Aber er ist dabei so wichtig. Ach, das Leben ist so verdammt kompliziert! Sandro ist ein total wichtiger Mensch!

„Komm rein, Sohn. Du erfährst es gleich. Ich mach uns noch einen Kaffee und dann schnacken wir über deine neue Aufgabe. Bleib erstmal locker. Mach dich lässig. Bleib geschmeidig, alter Falter. Ruhig Blut. Easy, easy. Keep cool und Kopf hoch! Du brauchst jetzt einen kühlen Verstand, sonst platzt dir dein hübscher Kopf!“ Fisherman Franka kickt den immer noch knienden Sandro durch die Balkontür in die Stube. Das kann er gut. Er war mal Bundesliga-Fußballer – dazu später mehr. Und wie der Sandro da so ins Warme rollt, die Fußballstellung aufgibt und auf dem Sofa Platz nimmt, begibt sich sein Vater in die Küche, um den versprochenen Kaffee gekonnt zu kochen.

Der aufmerksame Leser wird sich nun sicherlich fragen, wieso Fisherman Franka den Kaffee kocht, wo er doch Vaginalia Sozialistica zuvor zum Teekochen schickte. Die Sache ist die: Fisherman Franka ist ein Kaffeekocher par excellence und lässt sich da nicht reinreden. Er weiß, wie er am besten Kaffee kochen kann, da er zum Teil auch Kolumbianer ist. Sein Vater brachte es ihm bei, als er noch ein kleiner Bub war. Wenn ihm jemand in den Kaffeekoch-Prozess reinredet oder ihm sagen will, wie er etwas verbessern könnte, wird er fuchsteufelswild und ohrfeigt um sich. Vaginalia Sozialistica ist lediglich Teekoch-Expertin – sie hat sogar eine eigene Kochshow auf DMAX (kommt immer gleich nach den Ludolfs).

Sandro nimmt das Amulett in die Hand und schaut es sich an. Er spürt die Hitze, die es ausstrahlt. „Du kleines Ding, du. Du wirst wohl mein Leben verändern.“ Er weint. Und er lacht. Aber er weint. Hach, man weiß es nicht, was er macht. Er weiß es selbst nicht. Es ist für einen Schriftsteller schwer zu beschreiben. Versucht es euch vorzustellen. Diese wirren Gefühle. Dieses Ich-weiß-nicht-was-ich-denken-und-fühlen-soll.

Diese KRAFT! Diese Magie, die in der Luft liegt. Ein explosives Gemisch aus Liebe und Angst. Sandro knabbert ein paar Körner von der Deckenlampe und zwitschert wie ein Wellensittich vor sich hin. Für einen Moment denkt er, wirklich ein Federkleid zu besitzen. Er wackelt mit dem Kopf von links nach rechts, schnabuliert unter seinen Armen und fliegt los – doch als er mit seinem Schwabbelbauch auf dem modisch gemusterten Teppich des Fisherman Franka landet, spürt er, dass er nur ein Mensch ist. Auf dem Bauch liegend zwitschert er weiter. Die Nummer muss er jetzt durchziehen, sonst ist es peinlich. Er erwartet in Kürze seinen Kaffee. Vaginalia Sozialistica kommt mit einem Affenzahn um die Ecke gesaust und milchtrampelt das Sofakissen.

Ich habe Verstärkung!

Herzlich begrüße ich eine junge Mitarbeiterin, die über die Kapitel drüberschaut, bevor ich sie veröffentliche. Eventuelle Ungereimtheiten werden somit unterbunden!

Danke und Kuss an meine neue Helferin!

Samstag, 25. Oktober 2008

9Live und Rambo




Zur gleichen Zeit im Stockwerk darüber:
Britta liegt nackt auf dem Sofa und schaut 9Live. Sie streckt ihr Bein in die Luft und beobachtet es. Der Mond knallt pervers durch die Scheibe und schmeißt ein sexy Licht auf die Haut. Das Bein glänzt wie verrückt. Britta ist sexuell von sich selber angetan. Sie ist eine schlanke Person! Sie hat den heißesten Body in der Plattenbausiedlung. Selbst die Hunde bumsen regelmäßig mit raushängender Zunge ihre Waden an, wenn sie zum Beispiel mit Sandro auf den Spielplatz geht. Britta genießt stets die Augenblicke solcher ehrlichen Wertschätzung.

Sie war mal ein TOP MODEL vor wenigen Jahren. Etliche Miss-Wahlen konnte sie gewinnen – aber seitdem sie weit über 40 kg wiegt, hat sie keinen Platz mehr in dieser Welt voller „Glamour“ (bitte dieses Wort englisch aussprechen). Die Presse nannte sie Laufsteg-Pummel! Mit Schmerzen erinnert sie sich an einen BILD-Artikel. Die Überschrift lautete: „HIER KNALLT DIE FETTE SAU AUF DIE BRETTER! WEG MIT DER UNPROFESSIONELLEN MISTZIEGE!“ Sie wurde Hausfrau und musste sich um Sandro kümmern. Dann bekam sie die Stelle bei EDEKA, weil es einfach nicht mehr reichte. Sandro wollte zuviel Spielsachen. Er saugte sie aus wie ein selbstherrlicher Schlürfer seinen Milk-Shake leert!

Im TV liegen zwei nackte Frauen auf einem Bett und eine Wust an Einblendungen mit Telefonnummern und SMS-Codes und einer Rätseltafel mit vielen Buchstaben. Die eine hat so eine Krankenschwestermütze auf! Britta bleibt hängen, schaut kurz und sieht: FILZ ist das Wort! Sie senkt ihr Bein und greift sofort zum Telefonhörer. 1.500 Euro gibt es zu gewinnen. "Mal schauen, ob der HOT BUTTON Sie auserwählt - TROMMELWIRBEL - oh, schade...", kreischt es verlockend aus der Hörmuschel. Britta legt auf. 50 Cent im Arsch!! Die Nutten!! Die eine liegt da nackt auf dem Bett - auf dem Bauch. Die andere hängt nackig und hustend auf der drauf und streichelt ihren Rücken.

Das Rätselbrett zeigt:

F A U L
F R A U
F U N K
F L O H
F E T T
F . . .
F . . .

Alle Worte sollen mit F beginnen.
Aber die Buchstaben 2, 3 und 4 dürfen sich vertikal NICHT wiederholen.

FILZ ist das Wort. FILZ!
Britta wird verrückt! Es ist doch so offensichtlich!

Jetzt beißt die eine im TV der anderen in den Schwabbelarsch. Und hustet. Raucherhusten. Die gucken total angepisst. Die haben wohl keinen Bock oder ärgern sich, dass niemand anruft. Britta versuche es erneut. Wieder nichts. Schaaaaaade!

Sie befummeln sich lustlos an den Brüsten. Britta versucht es erneut. Und wieder kommt sie nicht durch. Der Hot Button hat sie nicht erwählt! Jetzt hat sie schon 1,50 Euro dort gelassen. Dabei ist das Wort doch FILZ, verdammt!

Sie entscheidet, nicht mehr dort anzurufen. Doch plötzlich wird die Musik dramatischer. "GEILES GELD" gibt es zu gewinnen, sagt die eine und verschwindet vom Bildschirm zum Chatten. Nackte, hustende Frauen verarschen Britta, das Ex-TOP-MODEL!

Britta hat FILZ im Kopf. FILZ ist das Wort! Sie könnte 1.500 Euro gewinnen. Und die nackte Nutte flennt fast. Auch sie will mitraten und kommt nicht drauf. Dabei kann sie gar nichts gewinnen, weil sie eine Mitarbeiterin von 9Live ist. Sie wundert sich, wieso niemand anruft. Und die Musik ist so dramatisch. Wie in "Herr der Ringe III" - die große Schlacht.

Der HOT BUTTON blinkt und surrt als würde in wenigen Sekunden eine Atombombe platzen und die Welt vernichten!

Aber Britta weiß die Lösung. FILZ. Sie MUSS da anrufen. Die Musik trommelt in ihren Ohren. Britta könnte die nackte Frau erlösen. Die nackte Frau, die an ihren Brustwarzen spielt und fast weint. "FICK vielleicht." meint die nackte Frau. Aber nein, es geht doch nicht! Das K kommt schon bei FUNK an letzter Stelle vor! Der Assistent im Hintergrund weiß auch keine Lösung: "Ich weiß es nicht... aaaaah... so ein Mist!"

Die nackte Nutte mit der Krankenschwestermütze ist verzweifelt. Nein, FELD geht auch nicht. Die dumme Sau! FILZ. Britta hab es doch gesagt. Der Assistent in Hintergrund meint: "Wir haben ein echtes Problem, Biggi!". Diese nestelt sofort an ihren Brustwarzen und stammelt traurig mit großen Puppenaugen: "Joa...". Ooooh... Britta MUSS anrufen.

Ihre Hand gleitet aus ihrem Tanga-Slip langsam gen Telefonhörer. FILZ. Das Wort donnert durch ihren Kopf wie ein Siebentonner durch eine Turnhalle. Die Nackte schaut auf die Uhr. "Bis halb 2 wünsch ich mir einen Anrufer." Sie schaut traurig - verdammt traurig. "Nicht nur einen Anrufer, sondern auch einen mit einer richtigen Lösung. Der 'ne richtige Lösung haaahaaaat..." Britta bekommt total viel Mitleid.

Oh. Da tickt jetzt was. Es tickt. Da kommt einer. Schwein!! Da ist einer in der Leitung! Britta ist zu spät. Dass der sowas guckt und da auch noch anruft. Britta fasst es nicht. Wie dämlich muss man sein?!

Tick tick tick.
Tick tick.
Tick tick.
Tick.
Tick tick.

Die mit der Krankenschwestermütze guckt angepisst.
Sie ist nackt.
Tick tick tick.

Bing.
Bing.
Tick tick tick.
Bing.
Nun bingt es.
Die im TV fasst sich an den Busen.
Bing bing.
Piep bing piep bing.
Es piept und bingt abwechselnd.
Die Spannung steigt ins Unermessliche.

Und schneller.
6
5
3
2
1
BEAM!
Soundeffekt.
"ERLÖS MICH JETZT! Bitte, bitte bitte!"
Sie schreit es förmlich heraus.
Sie hat Schmerzen und ist nackt.
Und es klingt, als wäre ein Raumschiff gelandet!

Augen weit aufgerissen.
Nun schaut sie erregt.
Plötzlich klingt es wie in einem Videospiel der 80er Jahre.
Polizeisirenzen.
Bleep bleep!
Helikopter werfen Bomben auf Rambos in Büschen.
Helikopter werfen Bomben auf Rambos in Büschen.
Helikopter werfen Bomben auf Rambos in Büschen.
BLEEP BLEEP!
Die Telefonnummer erscheint auf dem Screen.
So groß.
Jede Zahl blinkt leuchtend auf.
Bang!
Bang!
Ein neuer Effekt!
BIGGI!
Britta kommt!
Britta könnte es sein!!

Dann plötzlich Stille.
Die Musik mäßigt sich.
Die Dramatik flutscht hinfort.

Alles umsonst.
Sie weint.
Britta auch.
Das Telefon ist ganz weit weg.

Dann reibt sich die Frau im TV Bauch und Busen. "Wie wär es mit I als zweiten Buchstaben? FI... da denk ich immer an FICK. Aber das geht ja nicht."

Britta zappt weg.
Da ist Werbung – Kinderschokolade! Macht dick.
Sie zappt zurück.

Die beiden Nackten sind wieder vereint auf dem Bett. Ein Anrufer kommt durch. "Hallo, ich bin der Udo!". Sie kreischen ihm entgegen: "Erlöse uns, UDO!" und begrabbeln sich unanständig. Udo sagt "FILZ.". Die nackten Betrügerinnen schauen verdutzt. Die eine sagt: "FILZ? Auf FILZ wäre ich nie gekommen!". Udo gewinnt 1.500 Euro, die nackten Frauen beißen sich gegenseitig in den Po und beenden die Sendung.

Britta ist triefnass. Sie hat geschwitzt. Sie braucht nun etwas Ruhe und schaltet den TV aus. Was für ein Abenteuer, oh Gott, oh Gott!

Das agile Mini-Foto




Das kleine runde Objekt zappelt in Fisherman Frankas knorrigen Händen, als wäre es ein kleiner Fisch, der um sein Leben rennt. Das Objekt ist jedoch aus Metall und nicht organisch. Es kann eigentlich nicht zappeln, aber Fisherman Franka hat eine Krankheit, wo er immer zittert. Das kleine runde Objekt hängt an einer feingliedrigen, edlen Kette aus purem Plaste! Auf der Rückseite ist ein kleines Etikett: „VEB Hüttenkombinat Karl-Marx-Stadt – Made in GDR, 1967“. Sandro schnappt das Ding frech und betrachtet es. Er begutachtet es von allen Seiten. Dabei guckt er wie ein Archäologe, der Ahnung von irgendwas hat. Oder wie so ein Weinkenner, der seinen Mund komisch bewegt, um den Eindruck zu erwecken, er kenne sich total gut aus.

Fisherman Franka stiert ihn voller Erwartung an. Speichel rinnt ihm brutal aus beiden Wangen und landet auf den Kniescheiben. Von dort bahnt er sich seinen Weg hinab und klatscht auf den Fußboden. Hier ätzt er sofort ein Loch und fällt in das darunterliegende Geschoss. Und das geht immer so weiter – bis in den Keller. Dort kriegt Tom Hanks (Widersacher von Indiana Jones!) den Speichel auf den Kopf und sein Gesicht wird für immer entstellt. Er wird von nun an keine Rollen mehr bekommen, weil er so hässlich aussieht. Vielleicht wäre aber ein zweiter Teil von „Die Maske“ möglich – er müsste mal Pop-Queen Cher fragen.

„Ich habe es geschenkt bekommen – von deiner Mutter. Es war das Abschiedsgeschenk. Ich sollte es um den Hals tragen – aber ich bekam kurz danach eine neue Frau und da habe ich es verstecken müssen. Auch vor den NAZIS! Es ist ein besonderer Umhänger. Du kannst es aufknippsen. Innen ist etwas.“ Sandro fuchtelt am Ding rum und lässt sich von seinem Vater helfen. Das kleine, runde Ding schnappt auf. Es zeigt ein Foto, ein Mini-Foto! Es ist ziemlich klein, will ich damit sagen.

Auf dem Foto sieht man eine ca. 40-jährige Frau mit Stirnband. Sie hat Hippie-Haare und zeigt das Peace-Zeichen mit ihrer Hand in die Kamera. Daneben steht ein ca. 50-jähriger Mann, der auch PEACE macht. Beide grinsen um die Wette wie Honig-Kuchenpferde. „Ja, das bin ich – der Typ da.“, grient Fisherman Franka Sandro stolz wie Oskar von der Seite an. Dieser nickt und schaut sich das Foto genauer an. Im Hintergrund sieht er einen bunt angemalten Volkswagen-Bus. „Cool!“, ruft Sandro aus und macht Brumm-Brumm-Geräusche. In der Fahrerkabine kann er erkennen, wie Jimi Henrix sich von Steppenwolf einen blasen lässt. Ja, das war damals die Zeit. So ging es ab. Auf dem Foto erkennt Sandro noch eine grüne Wiese, die Sonne und…

„Was ist denn das hier?“ Fisherman Franka beugt sich vor, um auf Sandros Frage einzugehen. „Ja, Sandro! Das ist das Geheimnis dieses Halsbands. Es ist ein Clown. Ich weiß nicht, wer er ist. Ich habe ihn damals nicht gesehen, als das Foto gemacht wurde.“ Auf dem Foto ist ein Clown abgebildet. Er sieht scheußlich aus. Er steht am hinteren Teil des VW-Busses angelehnt und zeigt den Mittelfinger – eine ordinäre Geste, die so gar nicht zur friedvollen Stimmung im Foto passt. Obwohl damals ja alles revolutionär war. Da zeigte man auch mal den Mittelfinger. Aber im Foto war eigentlich nur die Liebe und Zufriedenheit. Der Clown ist kein Hippie.

Plötzlich bewegt sich das Bild. Alles wirkt dynamisch! Die Grashalme flattern im Wind. Die Wolken ziehen vorbei. Man kann ganz leise auch den Wind rauschen hören und wie Jimi Hendrix stöhnt und „Yeah, oh yeah, Foxy Lady!" sagt. Der Clown begibt sich auf alle Viere und nähert sich. Er läuft so weit nach vorne, dass er am unteren Rand des Mini-Fotos verschwindet. Dann plötzlich kommt er mit seinem Kopf von unten hochgeschossen und blickt mit seiner scheußlichen Fratze aus dem Foto heraus. Er presst seine pralle, rote Nase gegen die kleine Glaswand vor dem Foto. Es wirkt so, als wäre es ein blutgefüllter Luftballon! Er grunzt und lacht. „Hihi, hoho, haha! Kommt mit! Hier ist es schöööööööön! Lasst uns fliehehehehehegen!“ Sandro wirft die Halskette Richtung Wohnzimmerwand! „Aaaaaaah!“, ruft er intensiv aus. Seine Frisur ist auch hin, denn das Haar steht ihm zu Berge. Fisherman Franka hält sich ein Kissen vors Gesicht. In diesem Moment wirkt er wie eine Tucke.

Plötzlich klopft es an der Küchentür! Fisherman Franka stapft langsam zur Tür. Wer mag wohl klopfen? Klopft es nicht eher an der Haustür? Wer zum Teufel bittet von der Küche aus um Einlass? Was ist das für eine irre Situation? Die Katze kann es nicht sein. Sie ist auf dem Klo und scheißt womöglich wieder quadratmetergroße Haufen. Fisherman Frankas zittrige Hand zittert sich langsam dem Küchentürknauf. Eine dramatische Orgelmusik ertönt in der Wohnstube. Sandro schaut ängstlich. Er macht sich fast in die Hose. Die zittrige Hand seines Vaters nähert sich weiter dem Türknauf. Es klopft erneut gegen die Küchentüre. Die Hand ist nur noch wenige Millimeter vom Knauf entfernt. Nun greift sie den Knauf, dreht ihn, öffnet die Tür langsam. Das Küchenlicht dringt durch den Spalt. Der Lichtstreif fällt auf den Wohnstubenteppich. Er wird breiter und breiter. Die Tür öffnet sich immer weiter. Die Katze scharrt im Katzenklo. Sandros Haar steht zu Berge. Fisherman Frankas Hose wird nun nass. Die Tür ist offen. Vor ihm steht ein Mann mit Brille. „Ein Brillenträger!“, denkt Fisherman Franka. Er sieht nicht so gut aus. „Gestatten, mein Name ist Stephen King und ich kam durch den Backofen. Ich habe soeben mitbekommen, dass Sie hier meine Ideen klauen! Das finde ich nicht schön und bitte Sie darum, es zu lassen. Auf Nimmerwiedersehen!“ Stephen King spannt seinen Regenschirm auf und fliegt durchs Fenster nach draußen in den Nachthimmel. So entschwindet er, um an einem weiteren Roman zu schreiben, der wohl wieder nur mittelmäßig verfilmt wird – aber das ist ihm egal, solange er einen kleinen Cameo-Auftritt haben darf – zB als Postbote oder Müllmann.

„Fuck Stephen King! Jedenfalls, trage das Halsband von nun an, Sandro. Es hat magische Kräfte.“ Fisherman Franka hebt die Kette auf und legt sie Sandro in feierlicher Manier um. „Hübsch siehst du damit aus, mein Sohn.“, schmunzelt er und tätschelt Sandro väterlich am Bein. Sandro lächelt sohnhaft zurück und fragt: „Welches magische Geheimnis verbirgt sich hinter dieser Kette, oh Vater?“

Schmetterlinge haben niemals Übergewicht




Derweil schmatzt ein Schmetterling im Unterholz einen frisch gejagten Regenwurm. Seine Ehefrau ist aber Veganerin, deshalb kaut sie gerade auf einem Stück Holz. Sie findet es nicht gut, dass ihr Mann ein Fleischesser ist. Wie wir alle wissen, entstehen Schmetterlinge aus Regenwürmern und von daher ist ihr Mann eigentlich ein eiskalter Kannibale oder ein Baby-Esser im Schmetterlingswesen. Wenn man es krass sieht, muss man das leider so ausdrücken – und Schmetterlinge SIND krass! „Hans-Jürgen, nun komm. Ich will doch heute auch noch kochen! Außerdem bröselt so langsam mein Rouge von den Flügeln.“, ruft sie ihn und scharrt mit ihren neongrünen Gummistiefeln ungeduldig im Sand. "Ruhe, Weib! Und friss nicht zuviel - du wirst zu dick!" Doch hier hat der Schmetterling-Mann Unrecht! Schmetterlinge haben niemals Übergewicht. Da kommt ein Adler steil von oben geschossen und zerstört die komplette Situation auf brutalste Weise. Ein weitere Familie hat er nun ausgelöscht. Er macht sich ein weiteres Kreuz in den rechten Flügel und schwirrt ab. Die Natur ist brutal. So haben wir es in Biologie und Sozialkunde gelernt.

Dies alles findet im Gebüsch neben dem Love-Mobil statt. Zwei dunkle Gestalten steigen aus. Man erkennt sie nicht, denn der Mond scheint nicht hell genug. Wer mag es nur sein? Die eine ist ein Mann und der andere ist eine Frau. Seine Shilouette sieht berühmt aus. Er ist ein Star im TV. Es ist: KAI PFLAUME! Im Hintergrund spielt Peter Bursch „All You Need Is Love“ in einer Version, die er „ganz schön schwierig“ nennt. Er sitzt auf einem Baumstumpf und sieht scheiße aus. Wie auf den Fotos in seinem Buch!

Die Frau, die aus dem Wohnwagen aussteigt, ist weiblich. Sie sieht ein wenig ramponiert aus, weil sie vermutlich soeben rumgemacht hat. Sie hat etwas Viereckiges oder Rechteckiges in der Hand – obwohl ein Rechteck auch vier Ecken hat. Aber ein Rechteck ist ein Viereck. Ein Viereck, wie man es zunächst mal denkt, könnte ein Quadrat sein. Deshalb ist es irrelevant, ob ich Viereck oder Rechteck schreibe. Es ist ein VHS-Band mit einem geilen Typen drauf. Den hat sie vorhin geguckt und will den jetzt kennenlernen. Aber nicht mehr heute Nacht. Sie muss sich erst von dem intensiven Fick erholen. Er dauerte insgesamt fünfundvierzig Minuten. Kai Pflaume ist ein Sex-Monster!!

Der aufmerksame und mitdenkende Leser hat nun sicherlich bemerkt, um welche Frau es sich hier handelt. Es ist: BRITTA!! Sie wohnt doch hier in der Plattenbausiedlung. Sie ist die falsche Mutti von Sandro.

Kai Pflaume und Britta gehen im Stechschritt spazieren. Sie hält einen Zweig in der Hand, den sie von einem Gebüsch abgerissen hat und nestelt mit diesem romantisch an ihrer Fresse. Sie will sinnlich aussehen – nach dem Sex macht man das nämlich. Kai Pflaume torkelt etwas und fällt fast hin. Er pennt schon halb, weil Männer nach dem GV immer einschlafen. Britta stützt ihn und so gehen sie spazieren. Einmal um den Block und der Mond guckt von oben drauf. Die Nacht ist toll, Vögel zwitschern, Aale laichen, Pelikane bellen. Ein Kater brüllt im Kellerloch. Er hat soeben eine Ratte erlegt. Davon gibt es hier viele. Es duftet verführerisch nach Müllhalde. Eine Nacht zum Genießen.

Das UFO hat sich auch verdünnisiert – mit einer besonderen Technik, die nur die Außerirdischen kennen. Dort drin sitzt ja auch die echte Mutti von Sandro – aber die kommt nicht runter. Sie wurde damals entführt von Aliens. Die Außerirdischen wollen ihr nur zeigen, wo ihr Sohn wohnt. Vielleicht kommt es noch zum Kontakt – man weiß es nicht. Wir sind gespannt. Sandro hätte sie ja fast mit dem Luftgewehr abgeschossen. An einem Balkon im 5. Stock hängt ein Mann und klammert sich an die Balkon-Brüstung. Es ist Uri Geller, der gerade zuguckt, wie da drin zwei Menschen einen Karton aufmachen.

„Das war toll, Kai. Dein Bus kommt da. Schnell, du verpasst ihn.“, sagt Britta, küsst Kai Pflaume auf die Wange und stößt ihn auf die Straße. Der Bus überrollt ihn aber Kai Pflaume lebt noch. Da kommt ein Rudel Schmetterlinge und trägt ihn hinfort. Fleischfresser in action. Britta lächelt, winkt ihnen hinterher und geht zurück ins Haus. Sie betritt ihre Wohnung, schaltet das Licht ein und findet – niemanden. Sie ist allein. Wo ist wohl Sandro? Sie fängt augenblicklich an zu heulen. Die Tränen schießen in hohem Bogen zu beiden Seiten weg. Wie in so schlechten Manga-Zeichentrickfilmen. Sie legt sich auf das Sofa und wartet. Leicht bekleidet. Sie braucht es heute nochmal. Doch Sandro wird nicht kommen. Aber das weiß die nicht – nur wir. Lass die doch da rumliegen. Blöde Sau!! Sie hat ihren Zweig mit raufgenommen und nagt derweil an ihm – wie eine verspielte Hundedame!

Die heilige Karte der Vera




Fisherman Franka schlägt die pappigen Klappen des Kartons zur Seite. „Paps, setz doch deine Kapuze ab. Du siehst ja kaum etwas.“ Doch Fisherman Franka hält den Zeigefinger vor Sandros Mund, damit dieser erstummen möge. „Eh eh eh! Diese Kapuze muss ich aufhaben, damit das alles mysteriöser wirkt. Es ist außerdem eine Huldigung an den Imperator aus Krieg Der Sterne.“ Dann senkt er seinen Kopf, um sich auf den sagenhaften Inhalt des Kartons zu konzentrieren. „Bescheuert…“, nuschelt Sandro in sich hinein. Flugs hat er eine Ohrfeige von seinem Vater erhalten. „DIS-ZI-PLIN!“ Ja, die fehlt dem Sandro in der Tat. Er hatte keine Vaterfigur in seinem Haushalt. All sein Leben lang. Er wuchs nur mit Frauen auf. Die fehlende, strenge Hand fehlt ihm. Niemand war da, der mit ihm mal in den Wald Wildschweine erlegen ging. Niemand war da, der ihn abends bei der Sportschau auf den Schoß nahm und aus der Bierflasche trinken ließ. Niemand, der ihm Rülpsen, Grunzen und Furzen mit Stil beibrachte. Niemand war da, der ihm auch nur einen Hauch von Gewaltbereitschaft demonstrieren konnte. Nichts dergleichen. Stattdessen immer nur Eierlikör. Eierlikör ohne Ende. Und Kuchen! Da muss man doch schwul werden!!

Fisherman Franka greift in den Karton. Er zieht einen flachen Gegenstand hervor. Es ist eine Karte. Eine Ansichtskarte? Auf der Vorderseite erkennt Sandro eine mysteriöse, dicke Frau. Sie hat dunkles Haar, leicht gelockt. Sie lächelt. Darunter steht mit schwarzem Edding etwas geschrieben. Geheimnisvoll! „Was… was… was zur Hölle ist das, Papa?“ Die Spannung knistert und ist kaum noch zu ertragen. Sie legt sich wie zittriges Backpapier über die Situation.

„Dies ist die Autogrammkarte der famosen Vera Int-Veen. Ich habe sie 1998 erhalten. Ich war in einer ihrer Talk-Shows. Das Thema war: Hauskatzen. Ohne Scheiß! Es war für mich ein großartiges Erlebnis. Es standen viele Waschmaschinen im Hintergrund – so als Kulisse. In diesen Waschmaschinen waren Kameras versteckt, die das Publikum filmen sollten. Vera ist eine wirklich sehr lockere Person. Sie schert sich nicht um ihr Gewicht! Sie ist einfach nur ganz die Frau. Ein Vollweib! Diese Autogrammkarte befindet sich in dem Karton, weil sie einer meiner größten Schätze ist.“ Sandro rollt mit den Augen. Auch diese negative Eigenschaft hat durch die weibliche Eierlikör-Erziehung vermittelt bekommen. „Was ist daran so kostbar?“

Fisherman Franka schaut düster unter seiner Kapuze hervor. Nun sieht er tatsächlich wie der Imperator aus. Auch mit den Falten, und so. Man muss bedenken, dass er nun auch schon 104 Jahre alt ist. Botox hat er nie gebraucht – dafür ist er zu eitel. „Es ging in der Sendung um Katzen. Ich wollte mehr erfahren. Ich war ein Gast und trat mit Vaginalia Sozialistica dort auf. Es wurde jedoch nicht ausgestrahlt. Sie haben mich rausgeschnitten. Es hätte einen Volksaufstand gegeben. Außerdem, stell dir mal vor, was der WWF oder Greenpeace gemacht hätten. Die hätten mich getötet! Aber Vera Int-Veen brachte Verständnis auf. Sie ist die deutsche Oprah Winfrey. Nur weiß!“ Das Licht flackert. Eine Türe knarrt. Der Wasserhahn im Bad geht an und aus. Die Kanten des Teppichs rollen sich leicht nach oben. Die Teelöffel verknoten sich. Der Tisch scheint zu schweben. Uri Geller guckt durch die Fensterscheibe. Er friert.

„Ich habe es damals genossen! Beim Schwanze einer Maus, ja, das habe ich!“ Sandro schaut jetzt total überrascht, weil er nicht glaubt, was er soeben gehört hat! Seines Vaters Katze kann sprechen! Vaginalia Sozialistica sitzt selbstgefällig neben ihnen und leckt sich die Hände. Sie schaut zufrieden – ihre Augen sind grüne Schlitze. „Und nun entschuldigt mich – ich muss austreten.“ Die Katze verlässt die Stube auf höchst ungewohnte Weise. Sie läuft auf zwei Händen: die an der Stirn und die an der unaussprechlichen Körperregion. Es sieht total zum Schießen aus! Doch Sandro hat sein Luftgewehr auf seinem Balkon liegen lassen. Deshalb wirft er ihr nur eine Erdnuss aus der Schale hinterher.

„Nun denn! Kommen wir zum nächsten Objekt im Karton!“, spricht Fisherman Franka und legt die Autogrammkarte behutsam auf die Tischdecke. Dann greift er erneut in den Pappwürfel und holt ein kleines, rundes Objekt heraus.

Vaginalia Sozialistica




Fisherman Franka nimmt den Karton vom Tisch. Er nestelt an den pappigen Klappen, um ihn zu öffnen. „Warte! Erzähle mir von Dr. Prof. Waldemar Wolfowitz und seinem Untergrund-Projekt!“, ruft Sandro aus. „Ich möchte mehr darüber wissen. Wie ist diese Kreatur entstanden?“ Sandro schaut auf die Katze, die sich auf obszöne Art und Weise auf den gepolsterten Zweisitzer hingeflegelt hat! Sie liegt breitbeinig und leckt sich die behandschuhten Menschenhände. Aber nicht mit ihrer Primärzunge. Nein, mit ihrer Sekundärzunge. Es ist die Zunge, die in ihrem zweiten Gebiss ist. Das, welches aus ihrem Maule schießt wie in dem Film „Alien“. H. R. Giger hätte seine Freude!

„Na gut, Sohnemann! Kind der Freiheit, ich erzähle es dir. Ich berichte. Ich habe es dir versprochen vorhin!“ Fisherman Franka nippt an seiner Teetasse und beginnt. „Es war im Jahre 1953. Du warst bereits 12 Jahre alt. Ich bin zu der Zeit nach Heidelberg geflüchtet. Inkognito! Da war eine riesige Forschungsanstalt. Unter Tage. Ich war Bergbauarbeiter und grub mich durch. Dort stand ein Mann. Wolfowitz! Er zeigte mir seine Papiere. Ich drohte ihm mit der Angel, da ich wusste, dass alle Deutschen NAZIS waren. Aber er war keiner. Er war Jude. Er hatte sich eine Forschungshöhle gebaut – die NAZIS wussten um 1943 nichts davon. Er war unter dem Erdboden. Dort hatte er seine Katzen und Walt-Disney-Hefte. Diese Hefte hatten ihn inspiriert. Er hatte alles. Ein paar Assistentinnen und die nötige Technik. Teilweise von den NAZIS geklaut! Die NAZIS wollten damals um 1943 rum eine Armee klonen. Sie sahen nämlich, dass sie den Krieg verlieren werden. Herr Kleiblatt war ihre Waffe. Dr. Kleiblatt! Er wurde in Duisburg geboren. Er war das teuflische Genie der NAZIS. Wolfowitz klaute seine Idee. Er führte sie weiter. Entwickelte weiter. Er nahm die Katzen. Zunächst schnitt er ihnen den Bauch auf. Er spannte ihre Körper in eine Maschine. Diese entnahm sämtliche Merkmale, die wichtig sind, um einen anständigen Klon zu generieren. Wolfowitz nahm anschließend die Mickey-Mouse-Comics und scannte sie ein. Er duplizierte Mickey Mouse mehrfach. Er legte die Ebenen übereinander. Dann ein Katzenbild. Es entstand eine Art Überwesen. Mit so vielen Armen. Die Handschuhe. Es musste so sein. Die Idee des zweiten Gebisses hatte Wolfowitz von dem Führerschreibtisch. Der hatte eine Schublade mit den Schlachtplänen. In dieser Schublade versteckt war eine weitere Schublade. Dort lagerten die persönlichen Dokumente des Führers. Unter anderem ein Gutschein von Siemens. Dieses Unternehmen stellte Forschungsgeräte her. Es diente den NAZIS. Der Führer hatte es in seinem Büro. Jedenfalls arbeitete Wolfowitz als Schreiner damals und musste des Führers Schreibtisch reparieren. Er sah diese Technik. Diese zweite Schublade. Das Gebiss hatte er von dieser ausgefuchsten Idee. Dieses Geheimfach. Die Forschungsunterlagen von Siemens stahl er. Den Gutschein ließ er dort. Er nutzte sie für seine Klon-Forschung.“

„Vater, das ist unglaublich!“, spricht Sandro.

„Das ist nicht unglaublich. Wolfowitz führte Experimente durch. Hunde mit 6 Köpfen. Mäuse mit 3 Mägen. Katzen mit 5 Armen. Letztere brachten Erfolg. Sie überlebte die paar Tage. Die anderen Tiere starben relativ schnell. Er kombinierte die Katze mit einem Hirsch, der sich 12 km unter der Erdoberfläche verlaufen hatte. Heraus kam eine Kreatur mit Geweih. Er schenkte mir eine davon. Vaginalia Sozialistica. Sie war noch ganz klein, als ich sie bekam. Ich konnte sie in der Hosentasche ans Tageslicht schmuggeln. So wuchs sie auf. Wie alt sie wird, weiß ich nicht. Sie ist nun bald 70 und wirkt wie ein junger Hüpfer.“

Vaginalia Sozialistica schnurrt. Sie blickt auf und senkt die BRAVO, in der sie gerade liest. „Doch nun zum Karton, Sohnemann.“ Sandro gibt seinem Vater den Karton in die Hand. „Öffne ihn, JETZT!“

Videobotschaft für Britta




In der Rue de Manfredino gehen so langsam die Lichter aus. Die letzte Straßenbahn passiert den Spielplatz. Die letzten Tauben tanzen Lambada. Der Mond macht seine letzte Grimasse und stagniert zum runden, gelben Ball am schwarzen Nachthimmel. Allerdings wirkt er wie ein Teenager mit Akne – das ist die Mondlandschaft. Da haben früher viele gedacht, einen Mann im Mond zu entdecken. Dabei sind das nur Berge und Schluchten. Was wohl die NASA gerade macht?

Im Love-Mobil zeigt Kai Pflaume der Britta gerade das Video. „So, liebe Britta, dann schau mal hin.“ Das Video startet. Zu sehen ist ein junger Mann, um die 30, dernackt in einem Meer von Pfandflaschen sitzt. Alles Bier. Er versucht, sexy zu gucken und zu reden. Er sagt: „Hallo, liebe unbekannte Frau. Du bist Kassiererin im EDEKA! Ich kaufe immer nur wegen dir ein! Um dich zu sehen. Du bist so süß. Auch wenn ich gerade nichts einkaufen muss, gehe ich einkaufen – nur um dich zu sehen. Ich fand dich von Anfang an sehr attraktiv. Du hast mir das Wechselgeld immer so in die Hand gestreichelt. Da dachte ich, da ist mehr.“ Der junge Mann auf dem Bildschirm erhebt sich nun. Sein 40 cm langes Glied hängt zwischen den Beinen wie eine Liane, wo viele Frauen sich wünschten, sie wären auch nur einmal im Leben Tarzan. „Liebe Unbekannte, werte Kassierin. Ich möchte dich gerne treffen. Mit mir kann man gut philosophieren. Ich habe immer ein offenes Ohr. Ich kann gut im Haushalt arbeiten. Ich habe ein Herz für Kinder. Gib mir bitte eine Chance. Ich bin nicht wie die anderen Männer.“ Dann gibt er einen Luftkuss und geht aus dem Bild.

„Und, Britta?“, fragt Kai Pflaume. „Was sagst du?“ Britta ist erregt. Sie fasst sich an die Brust und spielt durch den Stoff mit ihren Nippeln. Ihre Fingerspitzen lagert sie auf dem Warzenhof. „Ich finde ihn… ganz….. nett….“ Sie ist so schüchtern. Kai Pflaume tickt nun total aus. „Du musst mal richtig durchgevögelt werden! Mein Gott, sei doch nicht borniert. Ganz nett ist toll! Aber du musst doch nun auch mal etwas aus der Haut gehen! Spüre die Erotik!“ Dann dringt Kai Pflaume in Britta ein und rödelt sie durch. Britta liegt auf ihrem Rücken und genießt es. Durch die Fensterscheibe sieht sie zwei Herren auf einem Balkon. Einer hat ein Luftgewehr. Der andere legt die Hand auf die Schulter des anderen. Der Nachthimmel blinkt. Es ist beinahe so, als wäre ein UFO unterwegs. Sie spürt den Kai in ihrer Pflaume und stöhnt. Sie entscheidet sich in diesem Moment für den Mann im Video. Sie braucht einfach mal wieder Sex – regelmäßig! Sie braucht es! Sie braucht es! Sie braucht es! Sie braucht es! Sie ist in Mein Gott, sie braucht es! Sie hat so lange warten müssen! Ekstase! Das Love-Mobil wackelt.

Erich Honecker




Sandro und sein Vater wandern durch den Flur in die gute Stube. Es mieft nahezu unerträglich – aber das liegt am Katzenklo. Quadratmetergroße Katzenscheißehaufen türmen sich und sondern ihre giftigen Dämpfe in die 60-qm-Bude ab. Das mickrige Katzenstreu vermag es nicht zu bedecken. Vaginalia Sozialistica hat deshalb einfach ein paar Modern-Talking-CDs drübergelegt. Aber die verstärken nur den unglaublichen Gestank! An einer Wand im Flur hängt ein Poster von Marcel Reich-Ranicki. „Ich bewundere ihn. Er ist ein großer Mann. Er findet den Mainstream scheiße – so wie ich.“, klärt Fisherman Franka seinen Sohn auf. Daneben hängt Erich Honecker. Aber nicht als Bild sondern in echt. Also als Figur… als modifizierte Barbie-Puppe am Strick. „Du hasst Erich Honecker, Papa?“ Sandro schaut erstaunt.

„Ich hasse ihn nicht. Aber ich mag ihn auch nicht unbedingt, Sohnemann. Er hatte eine Idee. Aber er hat sich verrannt! Kommunismus ist gut, sicherlich. Jedenfalls besser als dieser Kapitalismus. Du hast es doch mitbekommen. Seit der Wende. Der Rachen des Kapitalismus klappt immer weiter auf. Schleimig, gierig. Er verschlingt alles. Nicht jeder ist mit dem Erfolgs-Gen zur Welt gekommen, Sandro. Die werden gnadenlos verschlungen. Es ist eine unmenschliche Welt. Aber Erich Honecker wollte den Kommunismus mit Kontrolle erreichen. Das ist nicht gut. Klar, man muss schon auch kontrollieren. Aber es engt im Endeffekt ein, wenn man es übertreibt. Meine Katze steht für den Sozialismus. Das bedeutet nicht unbedingt, dass es allen gleich gut gehen muss. Es soll faire Bedingungen schaffen. Jeder Mensch muss sich schon anstrengen, um zu zeigen, dass er etwas in diese Welt einbringen kann. Aber jeder Mensch kommt aus einer anderen Umgebung. Nicht jeder Mensch – auch wenn er es noch so gut meint – mag das Gleiche mit dem gleichen Aufwand zu erreichen. Meine Katze hat den Dreh raus. Schau sie dir an. Sie hat fünf verfickte Arme! Sie hat den Kapitalismus am Körper. Sie krallt sich alles, wenn sie will. Sie hat die Möglichkeiten. Aber nur, weil sie modifiziert wurde! Das ist das Unfaire am Leben. Kein Mensch wächst wie der andere auf. So entstehen Feindseligkeiten. Ich hatte mal eine Frau – nach deiner Mutter. Sie wuchs in deutlich besseren Verhältnissen auf. Aber es klappte nicht. Sie kam aus einer anderen Welt. Man liebte sich, klaro! Aber sie warf mir Dinge vor, für die ich nichts konnte. Wir trennten uns. Es war so schmerzhaft. Ich habe lange gelitten, Sandro. Sehr lange. Aber scheiß doch drauf, ich brauche einen Tee! Vaginalia Sozialistica, spute dich!“

Es miaut aus dem Küchenraum. Dann Getappse, dann Gekratze. Dann kommt die Katze mit einem Tablett in die Stube und serviert das Gesöff. „Und nun zum Karton, Sandro.“

Die Katze des Grauens




Fisherman Franka knippst das Licht an. Die kleine Glühbirne an der Decke wackelt, als hätte sie jemand berührt. Als wäre jemand hier gewesen – vor wenigen Sekunden. Sandro joggt ein Schauer über die Rückenlandschaft. Die dortigen Borsten vermögen nicht, der gänseligen Haut Einhalt zu gebieten. „Dort ist der Karton.“, nuschelt Fisherman Franka und zieht einen siffigen Pappwürfel hervor. Er klemmt ihn sich unter den Arm. „Komm, raus hier. Hoch in meine Bude. Dort zeige ich dir, was im Karton ist.“ Er zieht seinen Sohn nach draußen und schließt den Verschlag wieder zu. „Was sollte ich verschweigen? Was zum Teufel dürfen RTL oder die BILD nicht wissen? Hier war doch nix! Außer so ein ramdösiger Karton!“ Sandro ist sauer. „Du Narr! Verstehst du denn nicht? Es ist IM Karton. Ich habe entschieden, ihn oben zu öffnen. Hier unten sind wir nicht sicher. Wir sind nicht allein. Tom Hanks stört unsere Kreise.“ Sie verlassen das Kellergewölbe und fahren mit dem Fahrstuhl in den 5. Stock – eine Etage unter Sandros Wohnung.

Sie begeben sich vor eine Tür. Auf dem Namensschild prangt Schreiber – es ist mit Salzteigbuchstaben geschrieben. Fisherman Franka drückt den Klingelknopf. „Sie wohnen doch hier! Sie brauchen doch nur aufzuschließen.“ Sandro ist verwirrt. „Meine Katze wird öffnen. Ich habe sie erzogen. Sie ist 2 Meter groß, hat ein Geweih und fünf Arme. Sie ist das Ergebnis eines Untergrund-Labor-Projekts des hiesigen Genforschers Dr. Prof. Waldemar Wolfowitz von Ebertzhagen.“ Sandro guckt noch verwirrter. „Ich erzähle dir gleich mehr über das Projekt. VAGINALIA SOZIALISTICA, öffne die Tür!“ Ein Miauen ist zu vernehmen. Es kommt aus der Diele der Schreibers. Ein Tappsen und Kratzen und ZACK – die Tür öffnet sich. Sandro reißt die Augen auf!

Vor ihnen steht eine riesige Katze. Ihre Arme schwenken propellerartig vor sich hin. Sie hat unten 2 Beine und an den Seiten 2 Arme. Soweit relativ normal. Aber dann hat sie noch 3 weitere Arme. Ein Arm kommt aus der Stirn. Ein weiterer Arm kommt aus dem Bauch. Und der letzte Arm kommt aus einer Gegend, die eigentlich für etwas anderes gedacht ist – aber ich will das jetzt hier nicht weiter erläutern. An jedem dieser Arme hat sie menschliche Hände mit weißen Handschuhen – etwa so wie Mickey Mouse. Auf dem Kopf – über dem Arm an der Stirn – ragt ein Gebiss, wie das von einem Hirsch. Habe ich Gebiss geschrieben? Ich meine Geweih! Sorry. Die Katze steht aufrecht. Ihr Schwanz wedelt. Sie reißt ihr Maul auf und heraus schießt an einer Schiene ein weiteres, kleineres Gebiss, welches auf- und zuschnappt. „Keine Angst. Sie begrüßt dich. Sie mag dich!“ Sandro kippt fast um. „Sie nennen Ihre Katze Vaginalia Sozialistica?“

Fisherman Franka versetzt ihm einen Stoß in die Rippen. „Wieso dutzt du mich jetzt plötzlich? Ich bin doch dein Papa! Ja, ich nenne sie so. Andere nennen ihre Katze Muschi. Aber ich denke in größeren Dimensionen. Einer aus dem Volk, ein niederer Mensch nennt seine Katze Muschi. Eine Lichtgestalt, ein Retter Europas nennt seine Katze Vaginalia Sozialistica. Es ist zudem keine normale Katze. Es ist eine besondere Katze. Eine Katze, die anders ist als andere Katzen. Aber nun genug geplappert. Reingetreten, mein Sohn! Sandro, komm zu mir ins Wohnzimmer. Vaginalia Sozialistica, bereite den Tee vor! Es wird eine lange Nacht!“

Abwärts!




„Folge mir, Sandro!“ Fisherman Franka zieht seine Kapuze über den Kopf. Sein Mantel wedelt im Treppenhauswind. Es sieht mysteriös aus wie in Galileo Mystery. Sandro blickt nacht rechts oben. Aber dort hängt kein PRO7-Schild. Er fühlt sich wie in einem schlechten Film. Sandro nimmt seine Nordic-Walking-Stöcke und folgt seinem Vater. Was wird ihn erwarten? Was kommt denn jetzt noch? Hat er nicht heute schon genug durchgemacht? Soll sein Leben wirklich so dermaßen auf den Kopf gestellt werden? Sandro zuckt mit den Augen. Er wird immer nervöser. Es geht abwärts. Stufe um Stufe – immer im Kreis. Die Wendeltreppe ist ihm nie aufgefallen. Warum ist eine Wendeltreppe in einem Plattenbau? Fledermäuse bellen von den Wänden und geben Sandro einen unheimlichen Thrill. Es geht abwärts, immer weiter. Immer im Kreis. Hinab in die Hölle. Eine Spirale in die Vergangenheit? Oder in die Zukunft? Es wird heißer. Die Kapuze des Vaters raschelt. Die Woll-Bommel an ihrer Spitze hüpft auf und ab. Es geht abwärts.

Sandro muss lachen. Er denkt gerade an eine Situation, die er vor 50 Jahren in einer Sauna erlebt hat. Da saß eine Frau, ca. 30 oder 50 Jahre jung und hatte einen Hund dabei. Sie war vollkommen nackt, was in einer Sauna auch nicht weiter verwunderlich ist. Die Frau fragte Sandro, wie es ihm ginge. Der Hund knurrte ihn an. Sandro sagte, es ginge ihm gut und er wäre zum ersten Mal in einer Sauna. Da kam die Aufguß-Frau durch die Tür und kippte das Wasser in die Schale. Es wurde richtig stickig und dann kackte der Hund auch noch hin. Während er sich die Nase zuhielt, sah er, wie die Frau ihre Augen schloss und mit ihren Nüstern das komplette Innere der Sauna aufsaugen zu wollen schien. Es wirkte befremdlich auf Sandro. Der Hund saß daneben und wedelte mit dem Schwanz. Er freute sich aufs Leckerli. Es wirkte jetzt wie diese Wendeltreppe mit den Fledermäusen. Die ganze Situation damals in der Sauna hat exakt die gleiche Bedeutung. Auch das mit dem Kreis. Es ist eine Symbolik, die seinesgleichen sucht. Aber es zu finden, würde das Ende bedeuten!

„Wie weit geht es hinab?“ fragt Sandro. „Mir ist mulmig zumute, Vater!“ Fisherman Franka antwortet. Doch etwas ist diesmal anders. Es ist seine Stimme. „Sandro, folge mir und halt den Schnabel.“ Die Stimme ist tiefer, ernster. Vor wenigen Minuten noch auf dem Balkon klang sie hell – fast wie eine Frauenstimme.

Kurze Zeit und gefühlte 12 Kilometer unterhalb der Erdoberfläche kommen sie zum Stehen. Vor ihnen ragt eine alte Holztür aus dem Fels. „Bevor wir nun durch diese Tür gehen, mein Sohn, versprich mir etwas.“ Sandro nickt ängstlich. „Du wirst nichts von dem, was du gleich zu Sehen bekommst, an die Öffentlichkeit tragen. Weder an die BILD-Zeitung noch an RTL-Explosiv.“ Sandro nickt erneut. „Ich schwöre es!“ Fisherman Franka holt einen Schlüssel aus seiner Manteltasche. Er steckt ihn ins Schloss und öffnet die Türe.

Es ist der Keller des Plattenbaus. Etliche Verschläge mit Holzlattentüren davor. Sie winden sich durch die irrgartenartigen Gänge zu einem Verschlag, der mit fünf Schlössern verriegelt ist. Plötzlich vernehmen sie ein Geräusch. „Duck dich!“ flüstert Fisherman Franka seinem Sohn zu. Hinten ist ein Schatten. Ein Schleichen. Ein Hut. Eine Peitsche. Ein Mann mit Drei-Tage-Bart. Plötzlich kommt Steven Spielberg um die Ecke. „Hey, what do you do here? We are making a new movie! We are filming hier! Gettse fack aut! Bloody NAZIS!” Fisherman Franka lacht erleichtert. „Sandro, steh auf! Sie drehen hier den neuen Indiana-Jones-Film!“ Sandro wendet sich an Herrn Spielberg: „We’re sorry, sir! We just want to discover something about my past or future! Please let us be here wiss ju!” Steven nickt und geht wieder. In einem der hinteren Gänge sehen sie noch einen Nackedei-Indianer (gespielt von Tom Hanks), der halbnackt umherspringt und Harrison Ford einen Speer in den Bauch stecken will. Doch Harrison Ford wirft ihm ein Fahrrad in den Weg. „Nun schließ auf, Paps!“ Fisherman Franka zückt einen Schlüsselbund mit fünf kleinen Schlüsseln. Er öffnet nach und nach die fünf Schlösser an der Türe zum Verschlag. „Denk an dein Versprechen, Sandro.“

Dann betreten sie den Verschlag!

Ich bin dein Vater!




Der Mann, der unter Sandro wohnt und jetzt eine Untertasse über den Kopf von Sandro hält, damit das blinkende UFO keine Angriffsfläche hat, überlegt kurz in seinem Kopf und schnalzt dann mit der Zunge. „Weißt du, Sandro – ich hab das alles nie gewollt.“ Sandro blickt herüber – sein Hals knackt. „Hä?“ Der Mann fährt fort. „Halt die Fresse, jetzt rede ich. Mein Name ist Fisherman Franka und das A habe ich mir beim Glücksrad gekauft. Ich komme aus Spanien und habe damals eine junge Dame kennengelernt. Es war 1941. Wir lagen mit Südkorea im Krieg und ich habe eine Wunde am rechten Bein, die zu ekelhaft ist, um sie der Öffentlichkeit – oder hier auf dem Balkon – herzuzeigen. Ich gehe nicht einmal mehr ins Schwimmbad, weil ich mich schäme. Aber ich trage diese Wunde auch mit Stolz.“

Sandro dreht seinen Kopf weiter nach hinten. So weit, dass es an den Film „The Exorcist“ erinnert. Es sieht gruselig aus. Sandro sieht aus wie Linda Blair. Nur als Mann und mit Luftgewehr. Das reimt sich!! „Was willst du mir sagen, Fischerman Franka?“ Fisherman Franka klatscht sich an den Kopf. "Ohne C - es heißt Fisherman, Sandro!" Doch woher wusste er das mit dem C? Sowas hört man doch nicht raus! Es ist mysteriös. Fisherman Franka führt seine Story weiter. „Diese junge Dame ist deine Mutter, Sandro. Ich habe mit ihr geschlafen. Sie brachte 2 Wochen später ein Kind zur Welt. Du bist mein Sohn. Du bist der Sandro, den ich in Spanien zeugte. Ich weiß noch… diese Nacht. Es war eine besondere Nacht. Südkorea marschierte ein. Sie wollten Westeuropa erobern. Portugal hatten sie bereits überrannt. Sie kamen von der Küste – über die USA. Deine Mutter ist Südkoreanerin. Sie hatten Frauen und Kinder dabei. Sie wollten sich sofort in Spanien festsetzen. Sie hatten unterirdischer Säle errichtet, in denen sie die Frauen hielten. Sie sollten Kinder zur Welt bringen, die sich sofort in Spanien verbreiten sollten. Ich war ein Bergbauarbeiter. Ich habe mit meiner Hacke ein Loch tief unten geschlagen und dort habe ich die heimliche Basis der Süd-Koreaner entdeckt. Dort lagen Frauen – viele sahen nicht so gut aus. Aber deine Mutter sah gut aus. Sie lächelte mich sofort an. Da war es um mich geschehen. Doch dann fiel ein Schuss. Er traf mich am Bein. Ich humpelte zu deiner Mutter und nahm sie Huckepack. Dann entschwand ich durch das Loch und kam wieder nach oben. Tageslicht! Ich hatte es seit über 5 Tagen nicht mehr gesehen. Es tat so gut. Die Südkoreaner hauten schließlich aus Spanien ab. Sie hatten ihre gefährlichste Waffe aus der Hand gegeben: deine Mutter, Sandro.“

Sandro schießen sofort wieder Tränen in die Augen. „Papa….“ Fisherman Franka erzählt weiter: „Ich bin ein weltberühmter Mann in Spanien. Du bist das Kind der Freiheit. Ich musste es geheim halten. Ich bin untergetaucht – damit mich niemand erkennt. Ich heiße in diesem Land Horst Schreiber. Aber ich bin eigentlich der Mann, der Europa rettete. Du bist nicht allein, Sandro. Ich bin da – dein Vater.“ Es zischt, wie wenn ein Laser-Schwert ausgeschaltet wird. Dabei ist es nur die Straßenbahn, die mit viel zu hohem Tempo durch den Kinderspielplatz hindurch rauscht.

„Wo ist meine Mutter heute?“ Sandro dreht seinen Kopf noch weiter, so dass er wieder nach vorne schaut. Die Kinder sind fort. Die Tauben zanken sich. Der Mond zieht eine Schnute, die wohl jeden dazu veranlassen würde, ihm eine reinzuhauen. „Deine Mutter… sie sitzt in dem UFO dort.“ Fisherman Franka zeigt in den Nachthimmel. „Sandro, leg das Gewehr weg. Du darfst sie nicht töten.“ Sandro tut es. Er möchte nicht noch mehr Unheil anrichten. Sein Blick senkt sich. Unten wackelt das LOVE-Mobil. Seine falsche Mutter hat Sex. Die Tauben versammeln sich um den Ort des Geschehens und kacken alles zu.

Fisherman Franka klopft Sandro auf die Schulter. „Komm, ich muss dir etwas zeigen, Sandro.“ Sie verlassen den Balkon. Das UFO entschwindet blinkend. Diese Nacht hat es in sich. Soviel steht fest.

Kaffee und Ufo




Wenige Minuten später sitzen sie auf dem Balkon und reden über Gott und die Welt. Sie schlürfen gemütlich ihren Kaffee und beobachten die blutverschmierten Kinder auf dem Spielplatz. Dabei ist es schon gleich 11 Uhr nachts. Aber in der Rue de Manfredino steht heute die Welt Kopf. Ein paar Tauben verirren sich in den Weiten der Plattenbaulandschaft und bringen ihr Altpapier weg. Der Mond klopft rund und mächtig gegen die Ozonschicht und legt sich schwer und massiv über die deutsche Welt. Er wirkt wie ein großer Kuchenteig-Klecks.

„Wo ist deine Mutter?“, fragt der Mann, der unter Sandro wohnt, jetzt aber neben ihm auf dem Balkon sitzt. „Sie ist nicht meine Mutter…“, Sandro spricht leise und starrt in den Nachthimmel. Weit hinten erblickt er ein blinkendes Flugzeug! Sandro denkt, es ist ein UFO. Schnell holt er sein Luftgewehr. „Schnell, gib mir Deckung!“ Der Mann, der unter Sandro wohnt, gibt Sandro Deckung, indem er die Untertasse von der Kaffeetasse, aus der er eben noch getrunken hat, über Sandros Kopf hält, damit die gefährlichen Strahlen des UFOs nicht in Sandros Kopf eindringen.

„Wo ist eigentlich die Frau, die nicht deine Mutter ist?“ Sandro zielt auf das blinkende Objekt. „Ich weiß es nicht – sie ist mit dem Pflaume im Love-Mobil. Da will einer was von ihr. Ich habe ein Video-Band gesehen. Sie schauen es sich an und Britta wird erwägen, ob sie es mit dem Mann auf dem Videoband treiben will. Ich bin derzeit ein wenig aufgeregt. Ich weiß nicht, ob ich demnächst allein sein werde.“ Der Mann, der unter Sandro wohnt, rollt mit den Augen. „Leg das Luftgewehr weg und lass dich vom UFO entführen.“

Doch dann geschieht etwas, womit niemand gerechnet hat.

Die Bullenschweine




„Ich bin homosexuell. Es tut mir leid.“

Britta stockt der Atem! Das hat gesessen – mein lieber Scholli. Sandro kichert. Nein, er kichert nicht mehr. Er lacht. Er lacht sie aus! Eine gebrochene Frau. Dort an der Wand. Mit dem Rücken zur Wand. Sie sinkt zu Boden. Sandro lacht. Jemand klopft von unten mit dem Besenstil. Es ist ihm zu laut. Doch Sandro hört nicht auf. Kurze Zeit später klingelt es an der Haustür! „Wer ist da?“, fragt Sandro. „Aufmachen, aufmachen! Wir sind Toto und Harry. Jemand hat sich über die Lautstärke beschwert!“ Sandro öffnet die Türe und sofort kommen 50 Kameraleute, Toto und Harry, Inka Bause sowie Kai Pflaume hereingestürmt. Toto und Harry ketten Sandro sofort an der Heizung fest und vernehmen ihn. Dabei leuchten sie ihm ins Gesicht, damit er die Wahrheit ausspuckt! Kai Pflaume überreicht Britta ein Videoband und bittet sie nach unten ins Love-Mobil! Inka Bause sagt, sie hätte sich verlaufen – weil in Plattenbauten wohnen ja keine Bauern.

„Was hast du getan?“, fragt Toto und rammt die Taschenlampe in Sandros Auge. „Was hast du getan? Spuck es aus, Scharlatan!“ Harry zündet sich eine Zigarette an, zieht einmal und drückt sie auf Sandros Arm aus. Foltermethoden, die Wirkung zeigen sollen! „Wieso trägst du hochhackige Schuhe?“ Sandro kann in dem Moment nichts antworten. „Habt ihr das drauf?“, fragt Toto den Kameraleute. Diese nicken und wuseln weiter von links nach rechts um den Ort des Geschehens. Da kommt der Mieter der drunterliegenden Wohnung durch die Tür. „Ja, das ist er! Dieser Mann hat laut geschrien! Außerdem ist er schwul. Das habe ich durch die Decke gehört!“

Toto spuckt Sandro vor die Füße! „Ihr Bullenschweine!“, wimmert Sandro! „Ihr miesen Bullenschweine!“ Harry ohrfeigt Sandro. Toto gibt ihm eine Kopfnuss. Toto haut Harry. Sandro tritt Toto. „Habt ihr das drauf?“, fragt Toto erneut die Kameraleute. „Nee, nochmal bitte!“ Toto spuckt Sandro vor die Füße! „Ihr Bullenschweine!“, wimmert Sandro! „Ihr miesen Bullenschweine!“ Harry ohrfeigt Sandro. Toto gibt ihm eine Kopfnuss. Toto haut Harry. Sandro tritt Toto. „Jetzt?“, fragt Toto erneut die Kameraleute. Diese nicken. „Ok, das reicht für heute!“, ruft Harry und klatscht in die Hände. „Kette ihn los, Toto!“ Dieser tut, was ihm befohlen wurde. Sandro ist nun wieder FREI. Er bietet den Leuten vom Fernsehen sofort einen Kaffee an! Doch diese wollen nicht und verschwinden. Der Mann, der unter Sandro wohnt, will aber einen Kaffee.

Der Blues im Jugendzimmer




„Sandro, ich, ich.. ich.. Sandro, ich, ich, ich, ich, ich, ich...“

Sandro guckt total verdutzt! „Ja, ICHICHICH! Immer nur DU! Du denkst nur an DICH! Du bist kalt! Eine kalte Person! Egoistische Ziege!“ Zwei kleine Tränchen explodieren in Sandros Augenbereich – eines links und eines rechts. Sie explodieren simultan. Es ist die Symmetrie der Gefühle! Die Ausgewogenheit der Natur. „Nein, Sandro.. es ist nicht das. Es ist folgendes.. und zwar.. hör mir mal gut zu, Bursche. Ich bin nicht deine wirkliche Mama. Ich bin doch viel zu jung, um deine Mama zu sein. Hast du das denn nie gemerkt?“

Sandro weint nun hemmungslos. „Nein, Britta. Du siehst doch so alt aus!“ Dann geht er in sein Jugendzimmer und spielt den Blues. Frauentausch kann warten. Es war sowieso wieder eine Werbepause. Er spielt zärtlich die Saiten seiner Rockgitarre an und singt hingebungsvoll den Blues. Das hat er von Peter Bursch gelernt. Der schreibt Bücher für die Anfänger der Gitarre – von ganz schön leicht bis ganz schön schwierig. Als das Lied fertig ist, reißt er die Tür auf und schreit: „Warum hast du mir das angetan?“

Er hört, wie Britta in der Stube laut aufschluchzt. Dann rennen sie einander zu – Britta von der Stube und Sandro aus dem Jugendzimmer. Eine romantische Musik ertönt. Sie laufen sich entgegen und treffen sich im Zentrum der Diele. Sie fallen sich in die Arme! Gefühle pur in der Rue de Manfredino. Ein Regen von Glitzersternen fällt von der Decke. Dabei ist es nur der Deckenputz, der abbröckelt. „Das heißt, dass wir erotisch werden dürfen, Sandro!“, weint Britta in den fleischigen Nacken ihres JETZT-Lebenspartners. Sandro stößt sie von sich. Mit großen Augen voller Entsetzen kichert er ihr entgegen: „Nein, da gibt es etwas, das ich dir auch sagen muss.“ Britta schaut gespannt und erwartungsvoll in sein Gesicht. Sie drückt ihren Rücken gegen die Wand in der Erwartung einer Welle, die sie noch mehr gegen die Wand drückt.

Sandro geht in der Diele in die Hocke und und vergräbt seinen Kopf in seine verschränkten Arme. Dann reißt er die Arme nach oben, schaut nach oben, richtet sich auf und öffnet sein Maul, um Worte folgen zu lassen. „Britta, ich, ich, ich, ich..“

Frauentausch und Kinderblut




Sandro ist 64 und lebt noch immer bei seiner Mutti in der Rue de Manfredino 43 a. Dort stehen kalte Betonklötze und wenn man mit einem Flugzeug drüberfliegt, könnte man meinen, dass Gott keinen Bock gehabt hat, die Lego-Spielreihe „Hartz IV-Land“ bunt anzumalen. Alles wirkt verwarlost und die Rutsche auf dem Kinderspielplatz ist gespickt mit scheinbar tödlich verunglückten Tauben. Der Sandro ist nämlich ein Sportschütze und hängt geschätzte sieben Stunden am Tag auf dem Balkon ab, um Tauben abzuknallen, die sich auf dem Spielplatz aufhalten. Sie lutschen dort das Kinderblut von den Spielgeräten, das aus den Wunden austritt, die die Rostflecken reißen! Damit die Polizei nicht darauf kommt, dass die Tauben abgeknallt wurden, entfernt Sandro jedes Mal die Patrone aus ihren leblosen Körpern. Sie könnten ihm auf die Schliche kommen! Er weiß, das Polizisten schlaue Füchse sind - er kennt Toto und Harry!

„Sandro! Komm mal her!“ – Mutti ruft. „Schnauze, Mami! Ich guck doch gerade Frauentausch auf RTL Zwo! Da schicke ich dich auch hin, wenn du mich weiter so nervst! Ey, ist das klar, ey?“ Doch Mutti gibt nicht auf. „Sandro! Ich muss etwas mit dir besprechen. Schau mal, wie die Küche wieder aussieht!“ Sandro erhebt sich aus seinem Sessel und stakst auf den Pumps seiner Ex über den Flur in die Küche! „Ja, was?! Was willste, hä?“ Sandro steht im Türrahmen und nimmt eine ekelhafte Macho-Pose ein, um seine Männlichkeit zu unterstreichen. Das sieht auf hochhackigen Schuhen ja nicht sonderlich überzeugend aus - aber er gibt sein Bestes! In der rechten Hand hält er eine Tabakpfeife, die aber eigentlich aus Schokolade ist. „Du kochst hier Nudeln und räumst nicht auf! Sandro, was habe ich dir beigebracht?“ Die Mutti ist nun ziemlich sauer und sie ist eine Frau, die sich enorm hochschaukeln kann. Dann dampft sie aus den Ohren und kriegt einen total roten Kopf. Dann ist sie nicht mehr weit davon entfernt, ihrem Sohnemann eins mitzugeben!!

Kurz etwas zur Person von Sandros Mutti: Sie heißt Britta und ist 27. Sie hat Sandro vor 9 Jahren adoptiert. Sandro weiß nichts davon und denkt, es sei seine echte Mutti! Dabei ist sie gar nicht seine echte Mutti!! Sie tut nur so, weil sie selbst keine Kinder gebären kann und doch so gerne einen Sohn haben wollte. Sie hat auch keinen Ehemann oder eine sonstige Person im Haushalt, die Sandro für seinen Farter halten könnte. Ein Drama zeichnet sich ab - aber dazu später!

„Ja und? Ich muss hier nicht aufräumen. Die Küche ist das Revier des Weibes! Also zieh dir jetzt deine Gummihandschuhe an und mach das mal blitzeblank! Ich kann dir zugucken, wenn du Spaß daran hast!“ Es ist eine unfassbare Frechheit, die Britta hier von Sandro hören muss! Nun ist es aber so langsam Zeit! Sie nimmt sich ein Handtuch, klatscht es ihm links und rechts um die Ohren! Sandro macht sich sofort ans Aufräumen! „Zum Glück ist Werbepause auf RTL Zwo!“, flennt er. „Ich guck gleich wieder TV und ich ruf da an und schicke dich zu Frauentausch! Ich schwöre!“

Britta hat das nicht mehr gehört. Sie ist bereits in der Wohnstube und zappt auf ARD! Dort läuft eine volkstümliche Musiksendung und sie wippt mit ihren Füßen mit. Sandro kommt dazu und sieht, dass gar nicht mehr RTL Zwo läuft! Er holt sofort sein Luftgewehr aus der Besenkammer und droht, ihren Hamster abzuknallen, wenn sie nicht sofort wieder die Unterhaltungs-Show „Frauentausch“ einschaltet. Britta spürt die Gefahr und gehorcht! Sie weiß, wie gefährlich ihr Sohnemann ist! Er hat schon einmal gemordet, weil er nicht das bekam, was er wollte.

Es war im Jahre 2003 und er wollte die neue Playmobil-Burg zu X-Mas. Aber Britta kaufte ihm nur eine Hörspielkassette „Rosamunde Pilcher – Melodei der Liebe“. Da ist Sandro ausgetickt und hat Locken-Gonzo Emanuelo Garcia mit einem coolen Griff den Hals umgedreht. Locken-Gonzo Emanuelo Garcia war der Leguan, den Sandro der Britta schenken wollte. Britta packte ihn aus und Sandro riss ihn ihr aus der Hand und würgte ihn mit dem Geschenkband zu Tode! Alles nur wegen Rosamunde Pilcher! Man kann sich ausmalen, dass es ein düsteres Weihnachtsfest wurde in jenem Jahre!

Sandro setzt sich aufs Sofa zu Britta. "Guck mal, Britta! Die Frau da, die kann ja gar nicht kochen und putzen! Und die Kinder sind alle so dick und faul!" Sandro zeigt mit seinem Zeigefinger auf das TV-Gerät und ist so richtig dabei! Er kreischt die Worte. Britta schaut ihn von der Seite an. Er bekommt es gar nicht mit, dass er beobachtet wird. Sie schaut geschlagen, traurig. „Du Sandro, ich muss dir etwas sagen! Ich habe es lange für mich behalten. 9 Jahre, um genau zu sein. Sandro, ….“, Britta schluckt und guckt wie ein Dackelwelpe, der am Küchentüsch einen Happen vom Menschenteller will – zum Beispiel Blumenkohl oder etwas von der Roulade. Dann fährt sie fort. „“Sandro, ich…“

Ein Anfang ist gemacht!




Hallo, liebe Leser!

Ich habe mich entschieden, ein Buch zu schreiben.
Vielleicht kriege ich dann auch so viel Berühmtheit wie Frau Rowling, oder wie sie heißt.

Wer das hier wirklich liest, darf auch gerne ein Titelbild machen.
Mein Entwurf ist hier: