Samstag, 25. Oktober 2008

Abwärts!




„Folge mir, Sandro!“ Fisherman Franka zieht seine Kapuze über den Kopf. Sein Mantel wedelt im Treppenhauswind. Es sieht mysteriös aus wie in Galileo Mystery. Sandro blickt nacht rechts oben. Aber dort hängt kein PRO7-Schild. Er fühlt sich wie in einem schlechten Film. Sandro nimmt seine Nordic-Walking-Stöcke und folgt seinem Vater. Was wird ihn erwarten? Was kommt denn jetzt noch? Hat er nicht heute schon genug durchgemacht? Soll sein Leben wirklich so dermaßen auf den Kopf gestellt werden? Sandro zuckt mit den Augen. Er wird immer nervöser. Es geht abwärts. Stufe um Stufe – immer im Kreis. Die Wendeltreppe ist ihm nie aufgefallen. Warum ist eine Wendeltreppe in einem Plattenbau? Fledermäuse bellen von den Wänden und geben Sandro einen unheimlichen Thrill. Es geht abwärts, immer weiter. Immer im Kreis. Hinab in die Hölle. Eine Spirale in die Vergangenheit? Oder in die Zukunft? Es wird heißer. Die Kapuze des Vaters raschelt. Die Woll-Bommel an ihrer Spitze hüpft auf und ab. Es geht abwärts.

Sandro muss lachen. Er denkt gerade an eine Situation, die er vor 50 Jahren in einer Sauna erlebt hat. Da saß eine Frau, ca. 30 oder 50 Jahre jung und hatte einen Hund dabei. Sie war vollkommen nackt, was in einer Sauna auch nicht weiter verwunderlich ist. Die Frau fragte Sandro, wie es ihm ginge. Der Hund knurrte ihn an. Sandro sagte, es ginge ihm gut und er wäre zum ersten Mal in einer Sauna. Da kam die Aufguß-Frau durch die Tür und kippte das Wasser in die Schale. Es wurde richtig stickig und dann kackte der Hund auch noch hin. Während er sich die Nase zuhielt, sah er, wie die Frau ihre Augen schloss und mit ihren Nüstern das komplette Innere der Sauna aufsaugen zu wollen schien. Es wirkte befremdlich auf Sandro. Der Hund saß daneben und wedelte mit dem Schwanz. Er freute sich aufs Leckerli. Es wirkte jetzt wie diese Wendeltreppe mit den Fledermäusen. Die ganze Situation damals in der Sauna hat exakt die gleiche Bedeutung. Auch das mit dem Kreis. Es ist eine Symbolik, die seinesgleichen sucht. Aber es zu finden, würde das Ende bedeuten!

„Wie weit geht es hinab?“ fragt Sandro. „Mir ist mulmig zumute, Vater!“ Fisherman Franka antwortet. Doch etwas ist diesmal anders. Es ist seine Stimme. „Sandro, folge mir und halt den Schnabel.“ Die Stimme ist tiefer, ernster. Vor wenigen Minuten noch auf dem Balkon klang sie hell – fast wie eine Frauenstimme.

Kurze Zeit und gefühlte 12 Kilometer unterhalb der Erdoberfläche kommen sie zum Stehen. Vor ihnen ragt eine alte Holztür aus dem Fels. „Bevor wir nun durch diese Tür gehen, mein Sohn, versprich mir etwas.“ Sandro nickt ängstlich. „Du wirst nichts von dem, was du gleich zu Sehen bekommst, an die Öffentlichkeit tragen. Weder an die BILD-Zeitung noch an RTL-Explosiv.“ Sandro nickt erneut. „Ich schwöre es!“ Fisherman Franka holt einen Schlüssel aus seiner Manteltasche. Er steckt ihn ins Schloss und öffnet die Türe.

Es ist der Keller des Plattenbaus. Etliche Verschläge mit Holzlattentüren davor. Sie winden sich durch die irrgartenartigen Gänge zu einem Verschlag, der mit fünf Schlössern verriegelt ist. Plötzlich vernehmen sie ein Geräusch. „Duck dich!“ flüstert Fisherman Franka seinem Sohn zu. Hinten ist ein Schatten. Ein Schleichen. Ein Hut. Eine Peitsche. Ein Mann mit Drei-Tage-Bart. Plötzlich kommt Steven Spielberg um die Ecke. „Hey, what do you do here? We are making a new movie! We are filming hier! Gettse fack aut! Bloody NAZIS!” Fisherman Franka lacht erleichtert. „Sandro, steh auf! Sie drehen hier den neuen Indiana-Jones-Film!“ Sandro wendet sich an Herrn Spielberg: „We’re sorry, sir! We just want to discover something about my past or future! Please let us be here wiss ju!” Steven nickt und geht wieder. In einem der hinteren Gänge sehen sie noch einen Nackedei-Indianer (gespielt von Tom Hanks), der halbnackt umherspringt und Harrison Ford einen Speer in den Bauch stecken will. Doch Harrison Ford wirft ihm ein Fahrrad in den Weg. „Nun schließ auf, Paps!“ Fisherman Franka zückt einen Schlüsselbund mit fünf kleinen Schlüsseln. Er öffnet nach und nach die fünf Schlösser an der Türe zum Verschlag. „Denk an dein Versprechen, Sandro.“

Dann betreten sie den Verschlag!

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