Samstag, 25. Oktober 2008

Frauentausch und Kinderblut




Sandro ist 64 und lebt noch immer bei seiner Mutti in der Rue de Manfredino 43 a. Dort stehen kalte Betonklötze und wenn man mit einem Flugzeug drüberfliegt, könnte man meinen, dass Gott keinen Bock gehabt hat, die Lego-Spielreihe „Hartz IV-Land“ bunt anzumalen. Alles wirkt verwarlost und die Rutsche auf dem Kinderspielplatz ist gespickt mit scheinbar tödlich verunglückten Tauben. Der Sandro ist nämlich ein Sportschütze und hängt geschätzte sieben Stunden am Tag auf dem Balkon ab, um Tauben abzuknallen, die sich auf dem Spielplatz aufhalten. Sie lutschen dort das Kinderblut von den Spielgeräten, das aus den Wunden austritt, die die Rostflecken reißen! Damit die Polizei nicht darauf kommt, dass die Tauben abgeknallt wurden, entfernt Sandro jedes Mal die Patrone aus ihren leblosen Körpern. Sie könnten ihm auf die Schliche kommen! Er weiß, das Polizisten schlaue Füchse sind - er kennt Toto und Harry!

„Sandro! Komm mal her!“ – Mutti ruft. „Schnauze, Mami! Ich guck doch gerade Frauentausch auf RTL Zwo! Da schicke ich dich auch hin, wenn du mich weiter so nervst! Ey, ist das klar, ey?“ Doch Mutti gibt nicht auf. „Sandro! Ich muss etwas mit dir besprechen. Schau mal, wie die Küche wieder aussieht!“ Sandro erhebt sich aus seinem Sessel und stakst auf den Pumps seiner Ex über den Flur in die Küche! „Ja, was?! Was willste, hä?“ Sandro steht im Türrahmen und nimmt eine ekelhafte Macho-Pose ein, um seine Männlichkeit zu unterstreichen. Das sieht auf hochhackigen Schuhen ja nicht sonderlich überzeugend aus - aber er gibt sein Bestes! In der rechten Hand hält er eine Tabakpfeife, die aber eigentlich aus Schokolade ist. „Du kochst hier Nudeln und räumst nicht auf! Sandro, was habe ich dir beigebracht?“ Die Mutti ist nun ziemlich sauer und sie ist eine Frau, die sich enorm hochschaukeln kann. Dann dampft sie aus den Ohren und kriegt einen total roten Kopf. Dann ist sie nicht mehr weit davon entfernt, ihrem Sohnemann eins mitzugeben!!

Kurz etwas zur Person von Sandros Mutti: Sie heißt Britta und ist 27. Sie hat Sandro vor 9 Jahren adoptiert. Sandro weiß nichts davon und denkt, es sei seine echte Mutti! Dabei ist sie gar nicht seine echte Mutti!! Sie tut nur so, weil sie selbst keine Kinder gebären kann und doch so gerne einen Sohn haben wollte. Sie hat auch keinen Ehemann oder eine sonstige Person im Haushalt, die Sandro für seinen Farter halten könnte. Ein Drama zeichnet sich ab - aber dazu später!

„Ja und? Ich muss hier nicht aufräumen. Die Küche ist das Revier des Weibes! Also zieh dir jetzt deine Gummihandschuhe an und mach das mal blitzeblank! Ich kann dir zugucken, wenn du Spaß daran hast!“ Es ist eine unfassbare Frechheit, die Britta hier von Sandro hören muss! Nun ist es aber so langsam Zeit! Sie nimmt sich ein Handtuch, klatscht es ihm links und rechts um die Ohren! Sandro macht sich sofort ans Aufräumen! „Zum Glück ist Werbepause auf RTL Zwo!“, flennt er. „Ich guck gleich wieder TV und ich ruf da an und schicke dich zu Frauentausch! Ich schwöre!“

Britta hat das nicht mehr gehört. Sie ist bereits in der Wohnstube und zappt auf ARD! Dort läuft eine volkstümliche Musiksendung und sie wippt mit ihren Füßen mit. Sandro kommt dazu und sieht, dass gar nicht mehr RTL Zwo läuft! Er holt sofort sein Luftgewehr aus der Besenkammer und droht, ihren Hamster abzuknallen, wenn sie nicht sofort wieder die Unterhaltungs-Show „Frauentausch“ einschaltet. Britta spürt die Gefahr und gehorcht! Sie weiß, wie gefährlich ihr Sohnemann ist! Er hat schon einmal gemordet, weil er nicht das bekam, was er wollte.

Es war im Jahre 2003 und er wollte die neue Playmobil-Burg zu X-Mas. Aber Britta kaufte ihm nur eine Hörspielkassette „Rosamunde Pilcher – Melodei der Liebe“. Da ist Sandro ausgetickt und hat Locken-Gonzo Emanuelo Garcia mit einem coolen Griff den Hals umgedreht. Locken-Gonzo Emanuelo Garcia war der Leguan, den Sandro der Britta schenken wollte. Britta packte ihn aus und Sandro riss ihn ihr aus der Hand und würgte ihn mit dem Geschenkband zu Tode! Alles nur wegen Rosamunde Pilcher! Man kann sich ausmalen, dass es ein düsteres Weihnachtsfest wurde in jenem Jahre!

Sandro setzt sich aufs Sofa zu Britta. "Guck mal, Britta! Die Frau da, die kann ja gar nicht kochen und putzen! Und die Kinder sind alle so dick und faul!" Sandro zeigt mit seinem Zeigefinger auf das TV-Gerät und ist so richtig dabei! Er kreischt die Worte. Britta schaut ihn von der Seite an. Er bekommt es gar nicht mit, dass er beobachtet wird. Sie schaut geschlagen, traurig. „Du Sandro, ich muss dir etwas sagen! Ich habe es lange für mich behalten. 9 Jahre, um genau zu sein. Sandro, ….“, Britta schluckt und guckt wie ein Dackelwelpe, der am Küchentüsch einen Happen vom Menschenteller will – zum Beispiel Blumenkohl oder etwas von der Roulade. Dann fährt sie fort. „“Sandro, ich…“

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